Jeden Tag schaue ich ins Internet und in die Nachrichten. Ich suche Informationen und Meldungen, die mir sagen, wie lange diese Corona-Zeit noch dauern wird. Bis jetzt gibt es keine eindeutigen Antworten, nichts Festes. Ich habe das Gefühl, dass niemand wirklich weiß, wo wir hinsteuern und wie lange wir unterwegs sein werden. Kein Land in Sicht. Ich treibe wie auf dem offenen Meer. Und ich vermisse meine Freunde, meine Familie, meine Gemeinde. Wir haben zwar eine schöne Wohnung, aber trotzdem fühle ich mich ein bisschen eingeengt. Es ist schon merkwürdig, nicht einfach rausgehen zu können.
Ich muss daran denken, wie es wohl Noah ging. Er hat auch immer wieder seine Taube rausgeschickt. Sie sollte gute Nachrichten bringen. Aber immer wieder kam sie mit leerem Schnabel zurück. So lange wusste er nicht, wie lang er noch unterwegs sein würde und wo die Reise hinging. Seine Arche war bestimmt nicht so gemütlich wie unsere Wohnung. Ein einfacher Kasten aus Holz ohne Fernsehen, Internet und Telefon. Nur eine Taube und ein Ausguck. Und kein Land in Sicht.
Zu dir kommen wir, Gott.
Wir hoffen auf dein Tun.
Du verwandelst das Meer in trockenes Land,
zeigst einen Weg, den wir gehen können,
wenn wir kein Land sehen,
nicht wissen,
wohin wir den ersten Schritt tun sollen,
du zeigst einen Weg auch durch die Tränen.
Das sind Worte in Anlehnung an Psalm 66. Worte, die ich oft bei Beerdigungen sage. Ich finde sie sehr tröstlich. Sie geben Hoffnung. Sie sagen, dass Gott da ist, wenn wir schwere Zeiten haben. Er ist da, wenn wir nicht weiterwissen. Er gibt uns auch dann festen Stand, wenn uns der Boden unter den Füßen schwankt. Er verspricht uns, dass die schweren Zeiten irgendwann ein Ende haben. Irgendwann hat die Taube einen Zweig im Schnabel. Irgendwann ist wieder Land in Sicht.
Ich glaube nicht, dass das Corona-Virus von Gott in die Welt geschickt wurde. Das ist nicht Gottes nächste Sintflut. Im 1. Buch Mose sagte Gott nach der Sintflut: „Nie wieder will ich alles Leben vernichten, wie ich es getan habe! Solange die Erde besteht, soll es immer Saat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht geben.“ (1.Mose,8,21c-22) Es wird keine Sintflut mehr geben. Das hat Gott versprochen. Ich sehe Gott nicht da am Werk, wo Menschen Angst bekommen, krank werden und sterben müssen. Ich sehe ihn da wirken, wo sich Menschen trotz der räumlichen Trennung miteinander verbinden, in Kontakt bleiben und sich Mut machen. Gott ist die Taube, die Nachrichten bringt. Die Taube ist ein Symbol für den Heiligen Geist. Und der Heilige Geist steht seit jeher für das Band der Liebe, das uns mit Gott und untereinander verbindet. Dieses Band sehe ich zurzeit überall wirken. Menschen bieten ihre Hilfe denen an, die ihre Wohnung nicht verlassen können. Sie telefonieren mit ihren Freunden und Familien. Sie bleiben zuhause, weil sie die Risiko-Gruppen schützen wollen. Uns geht es da ein ganzes Stück besser als Noah, der mit seiner Familie und jeder Menge Tiere allein auf dem endlosen Meer unterwegs war. Wir sind miteinander verbunden. Im Geist, im Gebet, in der Liebe.
Amen.
gesprochen von Till Weiß
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