Licht ins Dunkel
Es ist ja noch gar nicht soo lange her, dass wir hier im Pfarrhaus eingezogen sind. Mittlerweile haben wir uns schon ganz gut eingelebt. Ich kenne die Räume alle ganz gut und weiß auch, wo alle Lichtschalter sind.
Aber das war nicht immer so. Ganz am Anfang kannte ich noch nicht alle Räume und Lichtschalter. Vor allem im Keller nicht. Ich habe oft vergessen, das Licht unten im Keller auszumachen, wenn ich wieder nach oben ging. Das hieß dann also: Treppe wieder runter. Licht ausmachen. Treppe wieder hoch. Das passierte mir dann so oft, dass es mich wirklich genervt hat. Ich vergaß einfach immer wieder, das Licht auszuschalten. Da kam mir eine Idee! Ich hänge einen Bewegungsmelder auf! Der macht das Licht unten im Keller an, während ich die Treppe runtergehe. Und dann schaltet sich das Licht einfach nach ein paar Minuten automatisch aus. Wunderbar. Funktioniert. Ich geh runter. Das Licht geht an. Ich hole Wäsche oder Getränke aus dem Keller und komme wieder hoch. Dann geht das Licht aus. So soll es doch sein! Richtig praktisch. Sehr schön.
Dann eines Abends gehe ich runter. Das Licht geht automatisch an, wie immer. Ich suche meine Mütze. Die hatte ich beim Umzug in so eine große Kiste gepackt. Glaube ich. Die Kiste müsste irgendwo ganz dahinten in diesem kleinen Kellerraum stehen. Nach einigem Suchen finde ich sie. Sehr gut! Also raus aus dem kleinen Kellerraum, rein in den Kellerflur. Zack! Das Licht geht aus. Ich habe zu lang gebraucht. Jetzt stehe ich da im Dunkeln.
Ich sehe nichts. Stockduster. Und dann steh ich da und weiß nicht, was ich machen soll. In dem Moment merke ich, dass ich diesen Keller gar nicht so gut kenne. Wo ist der nächste Lichtschalter? Geht es da links zur Treppe hoch? Ah! Ich könnte ja mein Handy nehmen! Aber das liegt oben. Also bleibt mir nichts anderes übrig als buchstäblich im Dunkeln zu tappen. Also taste ich mich mit Händen und Füßen vorsichtig voran. Klong! Das war wohl nicht vorsichtig genug. Ich habe mir den Kopf gestoßen. Na, immerhin habe ich die Treppe jetzt gefunden. Und da ist auch der Lichtschalter. Ich freue mich, dass ich wieder sehen kann, und gucke mir den Keller an. Ich versuche, ihn mir einzuprägen. Dann gehe ich mit Mütze und kleiner Beule am Kopf hoch.
Ich wette, Sie hatten auch schonmal solche Erlebnisse. In neuer Umgebung, ohne richtige Orientierung im Dunkeln zu tappen. Vielleicht war das nicht so buchstäblich dunkel wie in unserem Keller. Vielleicht konnten Sie aus anderen Gründen nichts Erhellendes finden und wussten nicht, wohin oder wie es weitergehen soll. Sowas gehört wohl einfach zum Leben dazu. Und manchmal passiert das nicht nur einzelnen Menschen wie Ihnen oder mir. Das kann auch einer großen Menge an Menschen passieren. Da ist es doch nicht wirklich überraschend, dass die Bibel dazu auch etwas zu berichten hat.
Da gab es das Volk Israel. Es war viele Jahre in Ägypten gefangen gewesen, gefangen und zur Arbeit gezwungen. Aber dank Gottes Eingreifen konnte Israel aus Ägypten fliehen. Mose ging voran und führte sein Volk in die Wüste. Ja, und was jetzt?! Wo sollen wir hin? Was sollen wir tun?
Gott ließ Israel nicht im Dunkeln stehen. Er gab ihnen eine Richtung: Geht in das Land, wo Milch und Honig fließt! Und er gab ihnen einen Grund, ein Fundament, auf dem sie ein Leben in Freiheit aufbauen konnten. Das waren seine Gebote. Nach ihnen sollte sich Israel richten und nicht mehr nach dem, was die Ägypter oder irgendwelche anderen Herrscher befehlen. Diese Gebote, diese steinernen Tafeln sind der Bund Gottes mit seinem Volk Israel. Der Predigttext von heute erzählt, wie Mose mit diesen Tafeln vom Gespräch mit Gott zum Volk Israel zurückkehrt:
29Als Mose vom Berg Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln mit den Geboten in der Hand. Von seinem Gesicht gingen Strahlen aus, weil er mit Gott geredet hatte. Das wusste Mose aber nicht.30Doch Aaron und alle Israeliten sahen es. Sie fürchteten sich, in seine Nähe zu kommen.31Aber Mose rief sie herbei. Aaron und alle Männer, die der Gemeinde vorstanden, wandten sich Mose wieder zu, und er redete zu ihnen.32Später kamen auch alle Israeliten herbei. Mose gebot ihnen alles, was der Herr ihm auf dem Berg Sinai gesagt hatte.33Sobald Mose nicht mehr mit ihnen redete, legte er eine Priestermaske vor sein Gesicht. 34Immer wenn Mose in das Zelt ging, um mit dem Herrn zu reden, legte er die Maske ab. Wenn er herauskam, verkündete er den Israeliten, was Gott geboten hatte.35Wenn die Israeliten die Strahlen sahen, die vom Gesicht des Mose ausgingen, legte er die Maske vor sein Gesicht. Wenn er in das Zelt ging, um mit Gott zu reden, legte er sie wieder ab.
Ganz interessant, dass Mose eine Maske trägt, um seine Mitmenschen zu schützen. Aber worauf ich Ihr Augenmerk eigentlich lenken will, ist das Licht.
Mose strahlt, weil er Gott begegnet. Er trägt Gottes Licht in die Welt. Das macht er ganz vorsichtig, darum die Maske. Aber er bringt Gottes Licht zu seinem Volk. Er bringt Gottes Wort und seinen Bund zu Israel. Er wird zu einer Erscheinung, die den Menschen Hoffnung und Orientierung gibt.
Erscheinung, auf Griechisch heißt das ἐπιφάνεια. Die lateinische Form davon heißt Epiphanias. Und so heißt auch die Zeit des Kirchenjahres, in der wir gerade sind. So gerade eben noch. Heute ist der letzte Sonntag nach Epiphanias. Der letzte Sonntag nach Jesu Erscheinung. Jesu Geburt, der kleine Stall erleuchtet vom großen Stern über Bethlehem. Jesus bringt Licht in diese Welt. Er bringt Gottes Wort und seinen Bund zur ganzen Welt. Dank Jesus sind wir alle mit in den Bund genommen, den Gott damals in der Wüste mit Israel geschlossen hat. Wir alle sind Gottes Volk. Gott gibt uns allen einen Grund, ein Fundament, auf dem wir ein Leben in Freiheit aufbauen können. Nach seinem Wort richtet sich sein Volk und nicht mehr nach dem, was die Ägypter oder irgendwelche anderen Herrscher befehlen. Mose und Jesus zeigen uns, dass Gott uns Menschen ganz nah kommt. Sein Licht findet immer wieder seinen Weg zu uns, gibt uns Orientierung und befreit uns zum Leben.
Wie gut so ein Licht tut, das habe ich im Keller gemerkt. Und wie gut Gottes Licht tut, das merke ich, wenn mich ein lächelndes Gesicht anstrahlt. Wenn da jemand ist, der mir Mut macht und mir zeigt, dass da ein Licht am Ende des Tunnels ist. Wenn jemand mich daran erinnert, dass jede Dunkelheit vorbeigeht, sogar Trauer und Tod. Dann merke ich, dass Gott uns nahekommt, mitten in der Welt. Immer wieder neu. In uns, für uns und füreinander.
Amen