HimmelsAnker Nr. 106 vom 06.03.22

Kein leichter Weg

HimmelsAnker zum Sonntag Invocavit | Hebräer 4,14-16

Kennen Sie den Film „Küss den Frosch“? Disney hat das Märchen rund um den Frosch, der sich nach einem Kuss in einen Prinzen verwandelt, vor einigen Jahren als Film in die Kinos gebracht. Prinz Naveen ist eine der Hauptfiguren.
Er ist ein nichtsnutziger Junggeselle und Lebemann, der seine Zeit mit Musik und Feiern verbringt. Und mit möglichst vielen verschiedenen Frauen. Seine Eltern drohen, ihm den Geldhahn zuzudrehen, es sei denn, er heiratet. Er hat also die Wahl: Entweder heiraten oder arbeiten gehen. Beides gefällt ihm gar nicht. Am liebsten würde er so weiterleben wie bisher – reich, ungebunden, sorgenfrei. Er begegnet Dr. Facilier, einem Voodoo-Zauberer. Der verspricht ihm, dass alle seine Träume wahrwerden und er weder heiraten noch arbeiten muss. Begeistert geht Naveen auf das Angebot ein. Und wird von Dr. Facilier in einen Frosch verwandelt. In gewisser Weise hat Naveen gekriegt, was er wollte:
Als Frosch muss er weder arbeiten noch heiraten. Dafür hat er als Amphibie ein ganz neues und schwerwiegenderes Problem: Er will unbedingt wieder Mensch werden. Wie es dann weitergeht, und ob Naveen wieder ein Mensch wird, erzählt der Film ausführlich und unterhaltsam. Ich tue das hier an dieser Stelle aber nicht. Denn für das, um was es heute geht, reicht dieser kleine Ausschnitt aus der Geschichte schon.

Naveen versucht seine Probleme loszuwerden, ohne sich ihnen stellen zu müssen. Er wählt einen leichteren Weg. Einen vermeintlich leichteren Weg, der ihm am Ende mehr Probleme beschert als er vorher hatte. Der Name des Voodoo-Doktors ist dabei interessant: Facilier. Das heißt übersetzt so viel wie „Der Einfach-Macher“. Solche Einfach-Macher haben wir in unserer realen Welt auch. Sie bieten uns vermeintlich leichte Lösungen für Probleme an. Zum Beispiel, dass der Klimawandel gar nicht so schlimm ist. Letztens hat es ja noch geschneit! Globale Erwärmung gibt es gar nicht. Oder: Der Krieg ist in der Ukraine. Das ist weit weg. Mich geht das nichts an. Nicht meine Schuld, nicht mein Problem.

Die Einfach-Macher schieben unsere Probleme auf andere oder einfach nur weg: Aus den Augen, aus dem Sinn. Das ist einfacher und funktioniert wunderbar. Zumindest am Anfang. Denn leider verschwinden die Probleme nicht, nur weil wir sie nicht sehen oder nicht sehen wollen. Sie neigen sogar dazu, sich noch zu vermehren, wenn sie unbeobachtet sind. Diesen Einfach-Machern zu widerstehen ist ganz schön schwierig. Da sind nämlich nicht nur die großen Probleme wie globale Erwärmung oder Krieg in Europa. Im Alltag gibt es noch viel mehr kleine Dinge, die sich mit Wegschauen oder einer kleinen Lüge erledigen lassen. Mit Hinsehen und Ehrlichsein handelt man sich manchmal viel Arbeit oder Ärger ein. Im schlimmsten Fall beides. Der Einfach-Macher ist da der einfachere Weg. Also warum nicht den wählen?

In der Evangeliumslesung für heute (Matthäus 4,1-11) steht, wie Jesus mit so einem Einfach-Macher zu tun hatte. Jesus hatte 40 Tage gefastet und hatte Hunger. Ich kann mir kaum vorstellen, wie hungrig er da gewesen sein muss. Ich halte höchstens einen halben Tag ohne Essen aus. Der Teufel sagt ihm: Dann mach doch Brot aus den Steinen da. Aber Jesus tut das nicht. Da hungert er lieber weiter als auf die Spielchen des Teufels einzugehen. Er widersteht den Versuchungen. Aber nicht nur in dieser Erzählung, sondern auch später gibt er sich ganz in Gottes Hände. Noch am Vorabend seiner Kreuzigung sagt er zu ihm: Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe. Jesus geht sehenden Auges den schweren Weg durch Erniedrigung, Folter und Tod.
Er nimmt das Leiden in Kauf. Damit zeigt er uns, was für ein Gott er sein will.
Nicht bloß einer, der von oben auf uns herabschaut und ganz sicher und gemütlich in seinem Himmelreich sitzt. Nein. Er ist ganz nah bei uns. Er erlebt am eigenen Leib Schwäche und Leid. Er nimmt uns ernst.

Und das steht auch im Predigttext für heute im 4. Kapitel des Hebräerbriefes:

14 Weil wir nun aber einen großen Hohepriester haben, der den ganzen Himmel bis hin zum Thron Gottes durchschritten hat – Jesus, den Sohn Gottes –, wollen wir entschlossen an unserem Bekenntnis zu ihm festhalten. 15 Jesus ist ja nicht ein Hohepriester, der uns in unserer Schwachheit nicht verstehen könnte. Vielmehr war er – genau wie wir – Versuchungen aller Art ausgesetzt, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass er ohne Sünde blieb. 16 Wir wollen also voll Zuversicht vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten, damit er uns sein Erbarmen schenkt und uns seine Gnade erfahren lässt und wir zur rechten Zeit die Hilfe bekommen, die wir brauchen.

Eben weil Jesus als echter Mensch gelebt und gelitten hat, weiß er ganz genau, wie es uns geht. Er kennt menschliche Schwächen und Leiden und er weiß, wie schwer es ist, Versuchungen zu widerstehen. Deswegen können wir auch immer zu ihm kommen und ihn um Vergebung bitten, wenn wir mal schwach geworden sind. Er nimmt unsere Probleme und Ängste ernst und steht uns bei.
Er nimmt uns so an, wie wir sind. Und darüber hinaus macht er uns Mut, uns der Welt entgegenzustellen und sie mit seiner Hilfe zu einem besseren Ort zu machen.

Er weiß, wie schwer der Weg ist, der vor uns liegt. Aber er traut uns zu ihn zu gehen. Das ist eine große Herausforderung. Denn die Entscheidung, diesen Weg zu gehen, treffen wir jeden Tag aufs Neue. Und jeden Tag begegnen uns neue Einfach-Macher, die uns vermeintlich einfache Lösungen für unsere Probleme anbieten. Oder die uns Ausflüchte anbieten, damit wir uns unseren Problemen gar nicht stellen müssen. Fehler und Ausrutscher sind da kaum zu vermeiden. Wichtig ist, dass wir bei Fehltritten, Ausrutschern und Enttäuschungen nicht die Hoffnung verlieren. Dass wir in schwachen Momenten wissen, dass Gott uns zur Seite steht und uns aus unserer Not hilft. Wir sind auf diesem schweren Weg nämlich nicht allein. Wir haben Gott, der uns immer wieder auffängt, egal wie oft und wie tief wir fallen. Und wir haben einander. Wir sind als Kirche unterwegs. Nicht nur hier in Bochum Nord, sondern auf der ganzen Welt gibt es Menschen, die sich jeden Tag aufs Neue dazu entscheiden, Jesus nachzufolgen. Die den schweren Weg gehen, weil sie fest daran glauben, dass er sie am Ende zu Gott führt. Auf diesem Weg müssen wir uns den Problemen dieser Welt stellen, auch wenn sie uns noch so unüberwindbar erscheinen.

Wir schauen nicht weg, wenn unsere Mitmenschen in der Ukraine unter Krieg leiden. Wir sind solidarisch, wir leiden mit. Wir helfen, wo wir können und beten, dass Gott ihnen beisteht. Denn Ausflüchte und Ausreden – die vermeintlichen Einfach-Macher – schaffen zwar kurze Erleichterung. Aber sie bergen die große Gefahr, dass wir den richtigen Weg aus den Augen verlieren. Oder uns nicht mehr trauen, ihn zu betreten. Deswegen sollten wir uns auf diesem schweren Weg gegenseitig unterstützen, so wie Gott uns unterstützt. Und einander vergeben, wie Gott uns vergibt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.