Bitte schlagen Sie zum Lesen oder Hören dieses Textes den 38. Psalm Ihrer Bibel auf.
Wo wärst du, Mensch, ohne biblische Worte, die du dir ausleihen kannst?
Wo wärst du, wenn du dein Elend immer wieder selbst benennen müsstest?
Die Brüchigkeit deiner Seele.
All die Dornenkronen auf dem Herzen.
All die abgeschnittenen Fäden deiner Biografie.
All die uneingelösten Versprechen.
All die ins Leere gerufenen Sehnsucht.
All die Versuche.
Der Gut-sein-Versuch.
Der Schuldlos-durchs-Leben-kommen-Versuch.
Der Liebes-Versuch.
Der Fürsorge-Versuch.
Der Aufhören-zu-hassen-Versuch.
Der Aufhören-zu-lieben-Versuch.
Wo wärst du, Mensch?
Wo wärst du, wenn du sagen müsstest, wirklich aussprechen müsstest, was in dir und mit dir schiefgeht?
Wenn du sagen müsstest: Mir ist vor Kurzem die Hand ausgerutscht.
Wenn du sagen müsstest: Ich verzocke seit Jahren und heimlich mein Geld.
Wenn du sagen müsstest: Ich zittere jeden Abend vor meinen Träumen. Ich kann vor Angst nicht schlafen.
Wenn du sagen müsstest: Ich liebe einen anderen Menschen.
Wenn du sagen müsstest: Ich habe wissentlich andere um ihren Besitz gebracht.
Wenn du sagen müsstest: Ich hasse meinen Beruf.
Wenn du sagen müsstest: Ich lebe nicht gern, wo ich lebe.
Wenn du sagen müsstest: Ich liebe das eine Kind mehr als das andere.
Wenn du sagen müsstest: Ich wünsche mir manchmal, es wäre einfach alles vorbei.
Wenn du sagen müsstest, wie die Trauer dich auffrisst.
Wenn du sagen müssest, wie schwer dir dieser kranke Körper fällt.
Wo wärst du dann?
Wo wärst du ohne die Worte, die andere für dich gesprochen haben?
Die andere für dich aufgeschrieben haben?
Und die trotzdem alles sagen, was es über dich zu sagen gibt?
Alles, was in dir und mit dir schief geht?
Wo wärst du ohne Worte wie die des 38. Psalms?
Lesen Sie jetzt in Ihrer Bibel den 38. Psalm.
Wo wärst du, wenn du dich nicht in Worte legen könntest wie diese – gesprochen von Menschen lange vor dir. Und du könntest dich nicht zudecken mit ihren Gedanken – wo wärst du?
Wo wärst du, wenn es nicht Karfreitag gäbe,
wenn du nicht dein Stammeln, deine Gottesferne, diese schwarzen Löcher deiner Seele
wenn du das alles nicht mit an das Karfreitags-Kreuz hängen könntest? Wenn du nicht alles auch da aufhängen dürftest?
All deine Ängste.
All deine Tränen.
Die sehnsüchtigen und die schmerzgetriebenen.
Die wütenden und die ganz, ganz lautlosen.
Alles das, was in dir ist.
All das, was du niemals jemandem gesagt hast.
Wo wärst du, wenn es nicht Karfreitag gäbe.
Alles das darf zur Sprache kommen.
Darf zur Sprache kommen, ohne gesagt zu werden – in diesen Wochen der Passion.
In unseren Gottesdiensten.
Aber natürlich auch zu Hause.
Egal wo.
Bring das Ungesagte deines Lebens, das dich leiden lässt, mit den Psalmen vor Gott.
Ihre Worte decken auf, ohne zu entblößen.
Sie sind dein Schutzraum und dein Ausbruch zugleich.
Gib den Psalmen deine inneren Bilder.
Gib den Worten der Psalmen deine Erfahrungen.
Heute ist es Psalm 38.
In dem jemand krumm geht wie du manchmal.
Weil die Kraft weg ist.
Psalm 38, in dem sich jemand verfolgt fühlt.
In dem sich jemand ängstet.
In dem jemand kurz Hoffnung fasst, um dann doch wieder zu fallen.
Gib Jesus deinen Psalm.
Gib ihm die großen und kleinen Schmerzen deines Lebens.
Die Bibel sagt uns:
Jesus nimmt das alles mit.
In sein Sterben. In sein Grab.
Dort bleibt es.
Nicht nur drei Tage, sondern immer.
So kannst du leben, wie er gelebt hat nach drei Tagen.
Jesus nimmt das alles mit.
Ja – so erzählt die Bibel – er trägt schwer daran.
Es drückt auch seine Schultern wie es vorher dein Gewissen gedrückt hat.
Und wird ein langer Weg nach Golgatha.
Aber er nimmt es mit.