Es ist doch eigentlich ungeheuerlich.
Da begreift einer, dass er richtig Mist gemacht hat. Dass er sich richtig schuldig gemacht hat. Dass er ein Menschenleben auf dem Gewissen hat.
Aber Gott soll es dann richten!
Erschaffe in mir, Gott, ein reines Herz.
Und einen neuen Geist gründe fest in mir!“
Wer den 51. Psalm liest, liest diesen Satz und soll dabei an König David denken, denn ihm wird dieser Text zugeschrieben. Und wir denken dann nicht an irgendeine belanglose Episode aus seinem Leben. Oder an eine seiner Heldengeschichten. Wenn ich diesen Satz lese, dann kommt mir zuallererst sein Ehebruch in den Sinn. Sein Ehebruch mit der schönen Batseba.
Batsebas Ehemann Urija führt als Offizier Davids Armee in den Krieg. Sie belagern gerade eine Stadt. Doch der König ist nicht bei seinen Soldaten. Ein Herrscher ist nie bei seinen Soldaten. Ein Herrscher befiehlt. Die Drecksarbeit machen andere. Kennen wir doch.
David ist in Jerusalem geblieben.
Und die Szene, die ich jetzt kurz schildere, ist Ihnen vielleicht bekannt, denn es ist ja eine berühmte Geschichte:
Von seinem Balkon aus sieht er Batseba, die Ehefrau Urijas, baden. Sie ist schön. Sie badet - natürlich – nackt. Und es kommt eins zum anderen: Sie schlafen miteinander.
Und Batseba wird schwanger.
Zuerst versucht David, seinen Ehebruch zu vertuschen. Urija soll denken, dass er das Kind selbst gezeugt hat. Dieser Versuch misslingt. Deshalb befiehlt David seinem Heerführer, Urija bei der Belagerung in die vorderste Reihe zu stellen. Dorthin, wo der Kampf am härtesten und das Risiko am größten ist. Der Plan geht auf. Urija stirbt im Kampf. David ist Batsebas Ehemann losgeworden.
Dem Profeten Natan gelingt es, David klar zu machen, was er da eigentlich angerichtet hat. Erst da begreift David, dass er Mist gebaut hat. „Ich habe gesündigt gegen Gott“, sagt David.
„Erschaffe in mir, Gott, ein reines Herz.
Und einen neuen Geist gründe fest in mir!“
Wie geht das zusammen? Eine Ehe brechen, dabei über Leichen zu gehen und dann aber zu erwarten, dass Gott es schon richten wird.
Es ist wohl generell der Ernstfall, wenn es um Schuld geht.
Du begreifst, was du getan hast.
Du begreifst, was du unterlassen hast.
Du verstehst, dass es falsch war.
Du siehst ein, dass du so nicht mehr weitermachen kannst.
Diese Gedanken müssen aber irgendwohin!
Diese Gedanken müssen raus!
Du hältst das nicht mehr aus!
Du kannst damit nicht leben!
Plötzlich steht alles auf dem Spiel.
Das Leben ist plötzlich kein Spiel mehr.
Der Einsatz war zu hoch.
Wer einmal einen Menschen um Vergebung gebeten hat, bekommt vielleicht einen Eindruck davon, wie sich sowas anfühlt.
Es ist so, als wolle man aus einem Haufen Scherben wieder ein Ganzes machen. Aber man sieht sofort, dass es eben ein Haufen Scherben ist. Und dass es nicht wieder zu einem Ganzen wird. Es wird nicht wieder so, wie es vorher war.
„Reinige mich, dass ich von meiner Schuld frei werde. Wasche mich rein, weißer als Schnee!“ So steht es im 51. Psalm. Ein Psalm Davids. „Lass mich wieder Jubel und Freude spüren. Meine Gebeine sollen sich wieder fröhlich regen, die du mit Schmerzen geschlagen hast.“
Ich stutze. Weißer werden als Schnee? Das ist schon sehr weiß. Wie soll das gehen?
Und: Meine Gebeine, die du mit Schmerzen geschlagen hast? Hat David das nicht selbst gemacht? Ist David nicht selbst schuld? Schuldig im Sinne der Anklage?
Es bleibt jedenfalls ein einziges Flehen dessen, der nicht mehr ein noch aus weiß.
„Schau nicht auf meine Verfehlungen und vergib mir alle meine Schuld. Erschaffe in mir, Gott, ein reines Herz. Und einen neuen Geist gründe fest in mir. Schick mich nicht fort von deinem Angesicht. Nimm deinen heiligen Geist nicht weg von mir.“
Die Verbindung darf einfach nicht abbrechen! Sie darf nicht abreißen! Sonst ist wirklich alles aus. Es wäre das Schlimmst, was denkbar wäre. Wenn meine Schuld dazu führen würde, dass ich ganz alleine wäre. Dass nicht einmal mehr Gott da wäre. Dass ich gottlos wäre.
Wo wäre ich, wenn ich mir nicht diese Worte leihen könnte.
Worte, die mit David in Verbindung gebracht werden, Worte, gesprochen von Menschen lange vor mir.
Wo wäre ich, wenn es nicht Karfreitag gäbe, wenn ich nicht mein Stammeln, meine Gottesferne, diese schwarzen Löcher meiner Seele, wenn ich das alles nicht mit an das Karfreitags-Kreuz hängen könnte? Wenn ich nicht alles auch da aufhängen dürfte?
All meine Ängste. All meine Tränen. Die sehnsüchtigen und die schmerzgetriebenen. Die wütenden und die ganz, ganz lautlosen. Alles das, was in mir ist. All das, was ich niemals jemandem gesagt habe. Wo wäre ich, wenn es nicht Karfreitag gäbe.
Wir gehen auf Karfreitag zu. Meine Bitte um Vergebung gebe ich Jesus mit. Ich gebe ihm die großen und kleinen Schmerzen meines Lebens.
Die Bibel sagt uns: Jesus nimmt das alles mit. In sein Sterben. In sein Grab. Dort bleibt es.
Nicht nur drei Tage, sondern immer. So kannst du leben, wie er gelebt hat nach drei Tagen. Jesus nimmt das alles mit. Ja – so erzählt die Bibel – er trägt schwer daran. Es drückt auch seine Schultern wie es vorher dein Gewissen gedrückt hat. Und es wird ein langer Weg nach Golgatha. Aber er nimmt es mit.
Und dann kommt Ostern. Die Bibel nennt es Auferstehung. Der Tod verliert. Die Gottesferne verschwindet. Das Leben ist wieder da. Die Verbindung zu Gott – sie steht wieder. Eigentlich war sie nie weg. Gott war nie weg. Gott ist nie weg. Das ist Ostern. Das ist Auferstehung.