Liebe Gemeinde,
ich möchte Sie mitnehmen zu einem schicksalhaften Tag vor über 2000 Jahren. Wir sehen einige Männer, die in einem Hof zusammenstehen. Sie scheinen auf etwas zu warten. Aus der Ferne dringt der gedämpfte Lärm der Straße. Rufen, lachen, lautes Reden.
Jetzt warten sie nur auf das vereinbarte Zeichen. Wir hören sie reden. Einer scheint ungeduldig: „Wann können wir ihn endlich festnehmen? Was glaubt dieser Jesus, wer er ist? Was denkt der sich eigentlich?“
Wir wenden den Blick auf eine andere Ecke des Hofes. Auch dort steht eine Gruppe Männer zusammen. Auch sie unterhalten sich leise, hektisch.
„Denkt doch mal nach! Ist das wirklich richtig? Der hat doch nichts getan! Er sagt den Menschen doch nur Gutes!“ Ein anderer fragt mit nachdenklichem Unterton: „Mein Bruder hat mir gesagt, er predigt keine Gewalt – im Gegenteil. Alles was er predigt ist Nächstenliebe! Was ist daran so falsch? Wir machen uns mitschuldig an seinem Tod…“ Ein Dritter wirft ein: „Wir führen doch römische Gesetze aus, und dieser Mann ist Jude! Dürfen wir so über ihn richten?“
So könnte es gewesen sein - vor 2000 Jahren.
Ein einziges Hin und Her – manche haben Zweifel, aber das System ist unerbittlich. Das Kreuz steht schon bereit.
Wir verlassen den Hof, gehen auf die Straße. Die Stadt ist voll. Alle wollen das Pessachfest feiern.
Es ist fast so ein bisschen wie heute – viele rennen eilig durch die Gegend und machen letzte Besorgungen. Das Fest soll schön werden.
Aber da gibt es eine Gruppe, die noch nicht weiß, was in wenigen Stunden passieren wird. Sie sind noch sorg- und ahnungslos. Es sind die Jünger, die mit Jesus unterwegs sind.
Heute ist doch alles schön. Ein Raum ist gefunden, wie er gesagt hat. Alles, was zum Fest gehört, ist da. Alles ist vorbereitet. Es soll ein Festabend werden.
Was hat Jesus währenddessen gemacht? Er wusste bereits, was passieren würde. War er gelassen? Hatte er Angst? Er sprach mit Gott und bat ihn, den Kelch an ihm vorüber gehen zu lassen. Doch er sagte auch: „Wenn es nicht geht…, dann gehe ich den Weg zuende. Aber nicht heute, sondern morgen.“ Nur noch ein paar Stunden mehr. Zeit, Abschied zu nehmen.
Die Entscheidung ist gefallen.
Haben die Jünger vielleicht etwas geahnt? Gerade nach dem herzlichen Empfang in der Stadt?
Zuerst einmal geht es allen um das Pessachfest.
26 Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib.
27 Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus;
28 das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.
Irgendwann sagt Jesus zu Ihnen: „Einer von euch wird mich verraten.“
Dieser Satz dürfte eingeschlagen haben wie eine Bombe. Alle fragen sich, wen er meinen könnte. Sie sind vollkommen sprachlos. Dass einer Jesus verraten könnte, ist unvorstellbar. Einer aus der eigenen Reihe soll den verraten für den sie alles aufgegeben haben?
Einer von ihnen, Judas, ist mit seinen Gedanken woanders. „Bald ist es soweit, dann werde ich werde die Silberlinge bekommen. Ich gebe gleich das Zeichen. Warum mache ich das überhaupt? Die Frau hat so viel kostbares Öl vergossen. Was hätten wir damit alles machen können?
Das Geld unter den Armen verteilen. Die Not ist doch sehr groß. Für ein bisschen Arbeit bekomme ich einen ganzen Monatslohn. Warum fragt er jetzt noch in die Runde, wer ihn verraten wird? Wozu die Schau? Er sollte es doch wissen…“
Jetzt kann er mal beweisen was er kann. Er kommt dann schnell wieder aus dem Gefängnis.
Wir, die wir diese Szene beobachten, wissen, was unaufhaltsam passieren wird. Morgen ist Karfreitag und Jesus hat nur noch wenige Stunden zu leben. Er wird hingerichtet werden. Alles ist zu Ende.
Wenige Stunden später:
Eine johlende und lärmende Menschenmenge ist unterwegs. Der Weg bis zur Hinrichtungsstätte ist ein Schauspiel für die Menschen. Demütigungen muss Jesus ertragen. Wo sind die, die ihm gefolgt sind?
Da wird etwas kommen, das sie nicht verhindern können.
Dann ist dann nichts mehr gut und doch kommt da etwas Neues.
Die Welt verändert sich.
Wie sieht es 2022 am Gründonnerstag aus?
Auch für uns ist es heute ein festlicher Tag. Wir gedenken der Einsetzung des Abendmahles.
Was können wir von dem Tag des Pessachfestes vor 2000 Jahren für uns heute mitnehmen?
„Er hat uns ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder der gnädige und barmherzige Herr.“
Wenn wir Abendmahl feiern ist Gott mitten unter uns. Gott sagt ja zu uns, Gott sagt ja zum Leben.
Wir sind dann eine besondere Gemeinschaft, die das Abendmahl zusammen feiert.
Heute feiern wir nicht mehr das Abendmahl wie die ersten Christen es gefeiert haben:
In der Familie in Wohnungen und Häusern.
Wir sind hier heute in der Christuskirche und wissen: Gott ist da. Er ist bei uns, wenn wir das Abendmahl feiern und einladen mit den Worten: Kommt, es ist alles bereit. Sehet und schmecket wie freundlich der Herr ist.
Erinnern wir uns:
Alle Jünger werden in dieser Nacht etwas Entscheidendes erleben. Es ist die Nacht in der Jesus verraten wird. Er wird von einem von ihnen verleugnet.
Die Jünger werden die Vergebung später durch Jesus erfahren und annehmen.
Aber was ist mit Judas? Er wird verzweifeln und die Gnade nicht annehmen. Er weiß, er hat Schuld auf sich geladen und an dieser Schuld zerbricht er. Er will die Vergebung nicht und er will nicht die Gnade Gottes annehmen.
Jeder kann selbst entscheiden: nehme ich das "Ja Gottes" an?
Wir gehen den Weg in jedem Jahr mit Jesus mit. Da gibt es die Zeit des Abschieds, der Trauer, der Verzweiflung und dann erst kommt die Auferstehung. Die Freude darüber, dass Jesus auch über den Tod hinaus unsere Wege begleitet. Gott sagt ja zu uns.
Ich weiß genau, es ist nicht das Ende und freue mich auf den Ostermorgen.
Der Gründonnerstag geht in den Karfreitag über, der Karsamstag gibt uns noch einmal eine Zeit der Trauer und dann:
Ja, dann wird alles wieder gut. Jesus wird auferstehen.
Ich wünsche uns allen ein gesegnetes Osterfest, bleiben sie gut behütet.
Helga Berghoff
Prädikantin im Kirchenkreis Bochum