Johannes 6, 1-13
1Bald darauf ging Jesus ans andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias genannt wird. 2Eine große Menschenmenge folgte ihm. Denn sie hatten die Zeichen gesehen, die er an den Kranken tat. 3Jesus stieg auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder. 4Es war kurz vor dem Passafest, dem großen Fest der Juden. 5Jesus blickte auf und sah, dass die große Menschenmenge zu ihm kam. Da sagte er zu Philippus: »Wo können wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?« 6Das sagte er aber, um Philippus auf die Probe zu stellen. Er selbst wusste längst, was er tun wollte. 7Philippus antwortete: »Nicht einmal Brot für 200 Silberstücke reicht aus, dass jeder auch nur ein kleines Stück bekommt!« 8Da sagte einer seiner Jünger - Andreas, der Bruder von Simon Petrus: 9»Hier ist ein kleines Kind. Es hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das schon für so viele Menschen?« 10Jesus sagte: »Sorgt dafür, dass die Menschen sich setzen. «Der Ort war dicht mit Gras bewachsen. Dort ließen sie sich nieder,es waren etwa 5000 Männer.
11Jesus nahm die Brote und dankte Gott. Dann verteilte er sie an die Leute, die dort saßen. Genauso machte er es mit den Fischen. Alle bekamen, so viel sie wollten. 12Als sie satt waren, sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Sammelt die Reste ein, damit nichts verdirbt.« 13Das taten sie und füllten zwölf Körbe mit den Resten von den fünf Gerstenbroten. So viel war nach dem Essen übrig geblieben.
Die Sonne stand noch hoch am Himmel, aber es war spürbar kühler geworden. Seit Stunden waren die Jugendlichen nun unterwegs. „Ein Tag in der Wildnis“ stand auf dem Programm. Und so hatten sie sich am Vormittag auf den Weg gemacht, um den „Thron“ zu besteigen, einen norwegischen Berg mit schneebedecktem Gipfel. Wanderkarten und Kompass hatten sie dabei, ihre Handys mussten sie im Freizeitheim lassen – das war die „Challenge“, die Herausforderung. Die Rucksäcke gut mit Proviant gefüllt, hatten sie sich am frühen Morgen auf den Weg gemacht. Der Aufstieg war anstrengend, aber sie hatten ja genügend Zeit und reichlich Proviant. Dachten sie …
Wenn da nicht dieser Sumpf gewesen wäre, den sie weitläufig umrunden mussten. Die Sonne stand im Zenit, als sie endlich den Gipfel erreichten. Erst mal Pause! Hungrig aßen sie ihren Proviant, tranken das kühle Wasser eines Bergbachs und streckten ihre müden Beine aus. Ein Schläfchen in der Sonne war auch verlockend, es war ja noch früh.
Alles wäre ja auch gut gegangen, wenn sie danach den richtigen Weg für den Abstieg gefunden hätten. Hatten sie aber nicht.
Sie liefen und liefen und der Weg nahm kein Ende. Es wurde Abend und die Stimmung schlug spürbar um. Erschöpfung machte sich breit und der Streit begann:
„Wenn du nicht immer alles besser wüsstest … Ich hatte auf diese blöde Wanderung sowieso keine Lust … Und ich wollte überhaupt nicht mit … Meine Eltern sind jetzt in Italien. Und ich auf so `ner blöden Kirchenfreizeit …“
Schritt für Schritt auf dem Weg nach unten – zumindest was die Stimmung anging.
Und der Weg war noch weit. „So geht das nicht weiter“, sagte Simone, die Jugendgruppenleiterin, „wir machen jetzt erst mal eine Pause und überlegen, was wir tun können. Denn eins ist klar: Wir müssen runter von dem Berg, bevor es dunkel wird.“
„Und wozu eine Pause?“, meckerte Luis, „es ist schon kalt und zu futtern haben wir auch nichts mehr.“
Doch – eine Pause wäre gut, einigte sich die Gruppe. Zumindest genug Wasser hatten sie.
Wenn nur der Hunger nicht wäre! „Was habt ihr denn noch mit?“, fragte Tim. Er selbst zog eine Dose Ölsardinen aus seinem Rucksack und sagte lächelnd: „Ein Tipp von meinem Vater: Geh nie ohne Ölsardinen auf eine Wanderung!“ Er warf seine Regenjacke in die Mitte und legte die Dose drauf. Nun kramten alle in ihren Taschen, legten Müsliriegel, Brötchen und Kaugummi dazu. „Macht zwar nicht satt, aber vertreibt den Fischgeruch hinterher!“, sagte Marie und alle lachten.
Nachdem sie gegessen hatten, spürten sie, dass sich etwas verändert hatte. Sie hatten wieder Zuversicht. Und neue Kraft. Und das starke Gefühl, nicht allein zu sein.
„Eigentlich ist das so wie damals, als Jesus 5000 Menschen satt machte“, sagte Simone.
Warum steht diese Wundergeschichte in der Bibel? Warum erzählen die Evangelienschreiber davon? Haben sie das wirklich geglaubt?
Die Geschichten um Jesus erzählen uns an vielen Stellen deutlich: Es war nie sein Weg, aus Steinen Brot zu zaubern. Sein Weg war, die versteinerten Herzen der Menschen aufzuweichen. Ihre Blicke zu weiten. Ihre Herzen zu öffnen. Dabei stelle ich mir vor, wie Jesus von seiner Vorstellung von Gott, von seinem Glauben an Gott erzählt.
Wer diesen Glauben teilt, kann satt werden, kann sich zugehörig fühlen. Hoffnung wird wach, Mitgefühl wird groß und es wächst die Zuversicht: Was ich in meiner Tasche habe, reicht, das kann ich mit anderen teilen. Denn wir gehören zusammen als Menschen einer großen Menschenfamilie – als von Gott gewollt und geliebt.
Aber seien wir auch ehrlich: Macht hält noch immer die meisten Fäden in der Hand. Hunger ist noch längst nicht ausgerottet – im Gegenteil! Weltweit flüchten immer mehr Menschen. Totalitäre Regime gewinnen immer mehr an Einfluss. Der Blick in die Zukunft unseres ausgeplünderten Planeten raubt vielen Menschen den Schlaf.
Ich möchte noch einmal einen Blick auf die Wundergeschichte im Johannesevangelium werfen.
Johannes erzählt ja auch davon, dass am Ende zwölf Körbe mit Brot übrig bleiben!
In der Sprache der Bibel bedeutet das: Es reicht auch für die anderen! Selbst für die, die nicht dabei waren! Für die, die später kommen. Für uns.
In gewisser Weise ist ja auch die einleitende Erzählung von der Bergwanderung der Jugendlichen eine Wundergeschichte.
Da wurde aus Individuen eine Gemeinschaft, in der alle miteinander teilten. Da bekamen erschöpfte und verängstigte Jugendliche neue Kraft und Zuversicht. Das ist alles andere als selbstverständlich! Und ich möchte noch anfügen: Alle kamen gesund zurück. Und dieses Erlebnis hat sie geprägt. Freundschaften sind daraus entstanden und später wurden Lebensentscheidungen aufgrund dieser Erfahrung getroffen.
Wie die Beteiligten diese Erfahrung später für sich gedeutet haben, weiß ich nicht. Für den einen oder die andere hat diese Erfahrung sicher eine religiöse Dimension. Für manche war hier auch Gott am Werk.
Ich jedenfalls möchte nicht aufhören daran zu glauben, dass solch eine Erfahrung nicht wirkungslos ist. Ich möchte weiter davon träumen, dass eine bessere Welt möglich ist. Dass Menschen miteinander teilen und sich zusammengehörig fühlen. Dass Menschen spüren: Wir alle gehen gemeinsam durchs Leben. Ich weiß: Das ist ein Traum. Aber wer mit Gott rechnet, darf mit allem rechnen. Auch mit dem Besten.