HimmelsAnker Nr. 81 vom 05.09.21 und 12.09.21

Zu oft erlebe ich, dass Menschen sich von Religion, Glauben und Kirche abwenden, weil ihnen die Sache mit Gott zu schwer wird, weil sie Bilder Gottes in sich tragen, die in ihrem tatsächlichen Leben verblassen oder stören, die nicht mehr stimmig sind oder gar abschrecken – Vorstellungen von Gott, die ihnen keine Hilfe mehr sind.
Auch zucke ich immer wieder zusammen, wenn der Name Gottes heute noch, im Jahr 2021,  benutzt wird, um Menschen Angst zu machen, so nach dem Motto: „Gott sieht alles!“ , „Kleine Sünden bestraft Gott sofort!“ oder ähnlich wirres Zeug.

Welcher Gott wird uns da vor Augen gemalt?
Kein Wunder, wenn sich an Lebenserfahrung gereifte Menschen von diesem Glauben abwenden. Dieser Gott ist ihnen so fremd, dass es keinerlei Berührungspunkte zu ihrem eigenen Leben mehr gibt. So fremd, dass die Menschen noch nicht einmal merken, dass etwas in ihrem Leben fehlen könnte.
Und so stillen sie ihre Sehnsucht nach Sinn und der Leichtigkeit des Lebens woanders  -  und wir wundern uns.

Ich persönlich möchte viel lieber werben für einen Glauben an Gott, der im Leben hilfreich ist; für den Glauben daran, dass es etwas gibt, dass unermesslich größer ist als wir es jemals begreifen könnten; für den Glauben an Gott, dessen Liebe in uns wirksam ist und unser Leben zu verwandeln vermag. Dazu möchte ich ermutigen.

Ich kann aber für solch einen Glauben nicht werben, wenn ich von Gott spreche in präzisen Definitionen und genauen Beschreibungen.
 
Ich ahne, dass manche Menschen das viel lieber hätten.
Sie fordern vom Glauben an Gott das Gegenteil dessen, wie ich meinen christlichen Glauben erlebe und mir Gott vorstelle.
Sie fordern eine feste Sicherheit und klare Antworten. Sie wollen etwas Ewiges und Unveränderliches. Ihre Sehnsucht nach einer verlässlichen Regungslosigkeit ist so groß, dass ihnen nicht bewusst wird, dass diese Ansprüche nur eine tote Religion erfüllen könnte.

Die Muttersprache eines lebendigen Glaubens klingt jedoch anders.

Ursprünglich findet der Glaube an Gott seinen Ausdruck in Geschichten, Erzählungen und Bildern.
An Gott zu glauben, darauf zu vertrauen, dass es Gott gibt, bedeutet nicht,  mit Vernunft einen Katalog von Wahrheiten abzunicken.

An Gott zu glauben bedeutet, den Geschichten, den Erzählungen und den darin enthaltenen Bildern von Gott Räume im eigenen Leben zu eröffnen.

An Gott zu glauben bedeutet, in diese Geschichten, in diese Erzählungen und Bilder einzusteigen und sie als den Schlüssel zum Verständnis des eigenen Lebens, der eigenen Lebensgeschichte anzunehmen.

An Gott zu glauben kann dann bedeuten, dass die große Geschichte der Bibel mit all ihren Bildern von Gott und die Geschichte meines eigenen Lebens sich gegenseitig interpretieren.
Und diese Geschichten sind voller Überraschungen – eben wie das Leben, wie unser Leben selbst.

Genau deshalb setze ich mich dafür ein, kreativ zu sein bei der Suche nach neuen Möglichkeiten, sich mit Gott, sich mit dem Göttlichen zu befassen, Gott in unserem Leben Raum zu geben.

Aber schon die biblischen Autoren wussten um die begrenzte Kapazität unserer Sprache und unseres Verstandes, das Unglaubliche auszudrücken. Wir können Gotteserfahrungen nur in Geschichten mitteilen – in unseren eigenen oder in denen von anderen.
Wir können von Gott selbst nur in Bildern sprechen - mit eigenen oder mit den Bildern von anderen.

Jedoch: Es sind und bleiben nur Bilder Gottes. Achten wir darauf, diese Bilder nicht zu verselbständigen, sie zum Gegenstand unseres Glaubens zu machen.

Diese Bilder bieten jeweils eine Möglichkeit, von Gott zu sprechen. Gott kommt auf uns zu als Möglichkeit! In diesen Möglichkeitsraum Gottes können wir eintreten – und der Eingang in die Möglichkeiten Gottes heißt Glaube.
Diese Erfahrungen erzählen uns die biblischen Geschichten und malen auf ihre Weise Bilder Gottes. In keinem steckt die ganze Wahrheit und niemand kann Gott ganz erfassen.