HimmelsAnker Nr. 68 vom 06.06.21

Da haben wir den Salat

HimmelsAnker zum 1. Sonntag nach Trinitatis 2021 | Jona

Kennen Sie das auch? Manchmal stehe ich beim Einkaufen vor dem Regal und frage mich: „Ja, was soll ich denn jetzt nehmen? Kaufe ich den Bio-Salat? Aber der kommt aus Spanien. Das ist ja auch nicht gerade umweltfreundlich, wenn das Gemüse so viele Kilometer gefahren wird. Der andere Salat kommt aus Deutschland. Der wurde also nicht so weit transportiert. Aber da steht nicht Bio drauf. Wer weiß, wie viele Pestizide die da benutzen…“ Da habe ich den Salat. Aber leider nur den sprichwörtlichen Salat.

Diese Redewendung „Da haben wir den Salat“ gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Eigentlich ist Salat ja etwas Gesundes, aber bei dieser Redewendung ist der Salat eine Metapher für Unordnung und Durcheinander. Ein richtiger Salat wird ja auch ordentlich durchgemischt, bevor er serviert wird.

So eine Unordnung, so ein Durcheinander habe ich dann beim Einkaufen im Kopf. Woher weiß ich denn jetzt, welche Produkte am fairsten und umweltfreundlichsten hergestellt wurden? Welche Entscheidung ist die richtige?

Dieser Salat im Kopf beschäftigt mich aber nicht nur beim Einkaufen. Während der Pandemie war ich mir immer wieder unsicher: Welche Entscheidung ist denn jetzt richtig? Wonach soll ich mich richten? Welche Verordnung ist denn jetzt gerade aktuell?

Auch im Presbyterium fiel uns die Entscheidung oft schwer. Ist es jetzt sicher genug für Gottesdienste in unseren Kirchen? Zeugt es von Mut, wenn wir die Kirchen öffnen? Oder von Leichtsinn? Sollen wir vor den Gottesdiensten Selbsttests verlangen? Machen wir es ganz ohne Tests? Oder dürfen nur Geimpfte in unsere Kirchen? Fragen über Fragen. Da haben wir den Salat. Diese Entscheidungen sind uns nie leichtgefallen.

In solchen Momenten wünsche ich mir oft Hilfe. Jemanden, der oder die diese Unordnung und dieses Durcheinander durchschaut und mir sagen kann, was denn jetzt das Richtige ist. Eine Stimme, die ganz eindeutig und unmissverständlich ist.

So wie beim Propheten Jona. Zu dem sagt Gott: „Auf! Geh nach Ninive, in die große Stadt, und rede ihr ins Gewissen. Ihr böses Tun ist mir zu Ohren gekommen.“
Klare Worte, ein eindeutiger Auftrag. Dann kann es ja losgehen! Und das tut es auch. Da steht weiter:

„Da machte sich Jona auf den Weg, aber genau in die andere Richtung.“
Wer immer diesen Text geschrieben hat, er oder sie hat auf jeden Fall Humor.

Jetzt hat Jona den Salat. Er will etwas anderes als Gott. Also flieht er vor Gott. Aber seine Flucht fällt ins Wasser. Sowohl im übertragenen als auch im buchstäblichen Sinne. Auf dem Schiff nach Tarsis gerät Jona samt der übrigen Besatzung in einen Sturm. Und unser Prophet weiß sofort, dass Gott den Sturm seinetwegen auf das Schiff loslässt. Also sagt er: „Nehmt mich und werft mich ins Meer!“ Die Besatzung versucht noch, dem Sturm durch Rudern zu entkommen. Aber erst als das auch nicht hilft, werfen sie Jona schweren Herzens über Bord.

Jona steigt also um von einem Schiff in ein U-Boot. Also fast jedenfalls. Er wird von einem großen Fisch verschluckt. Drei Tage und drei Nächte sitzt er im Fischbauch. Er betet zu Gott und ihm wird klar: „Ja, wer sein Leben an Nichtigkeiten klammert, verliert seinen einzigen Halt im Leben.“

Der Fisch spuckt Jona an Land. Kaum an Land angekommen, kriegt Jona denselben Auftrag nochmal: „Auf! Geh nach Ninive, in die große Stadt, und rede ihr ins Gewissen.“
Und diesmal macht Jona sich auf und zwar in die richtige Richtung. Er redet Ninive ins Gewissen: „Noch 40 Tage, dann wird Ninive zerstört!“ Und er wird tatsächlich erhört! Die Leute kehren von ihrem bösen Weg ab. Darum beschließt Gott auch, die Stadt doch nicht zu vernichten.

Das wiederum ärgert Jona immens. Wie steht der denn jetzt da?! Also ist seine Entscheidung am Anfang, vor Gottes Auftrag zu fliehen, wohl doch richtig gewesen?! Jetzt hat er die Nase gestrichen voll. Und Gott wundert sich über Jona. Gott sagt am Ende der Geschichte: „Da wohnen über 120000 Menschen in Ninive. Sie alle wissen nicht, was links und was rechts ist. Ihnen fehlt das Urteilsvermögen. Dazu kommen noch die vielen Tiere. Sollte es mir da nicht leidtun?“

Die Erzählung steckt voller Entscheidungen, die dann doch wieder zurückgenommen werden. Erst will Jona Gottes Auftrag nicht ausführen, dann tut er es doch. Erst will die Schiffsbesatzung Jona nicht von Bord schmeißen, dann tut sie es doch. Erst will Gott Ninive vernichten und dann tut er es doch nicht. Sogar der Fisch hat Jona erst verschluckt und spuckt ihn dann wieder aus!
Viele schwere Entscheidungen. Viel für und wider, pro und contra. Viel Unordnung und Durcheinander. Da haben wir den Salat.

Diese Salate, diese schweren Entscheidungen gehören zum Leben dazu. Wie Jona gezeigt hat, kann man auch nicht einfach vor ihnen davonlaufen.
Gott zeigt in der Geschichte, dass man eine Entscheidung auch nochmal überdenken kann. Nämlich dann, wenn die Umstände sich geändert haben. Dazu ist Gott frei. Und dazu sind wir auch frei. Wir können frei entscheiden. Und oft sind wir auch gezwungen, uns zu entscheiden. Man könnte also sagen, Salate sind der Preis der Freiheit. Ich finde, die Freiheit sollte uns schon den ein oder anderen Salat wert sein. So steht der metaphorische Salat auch nicht mehr bloß für Unordnung und Durcheinander. Er wird wieder zu etwas Gesundem. Denn er zeigt uns, dass wir die Freiheit zur Entscheidung haben.

Jona erkennt im Fischbauch: „Ja, wer sein Leben an Nichtigkeiten klammert, der verliert seinen einzigen Halt im Leben.“ Eine gute Erkenntnis. Sie nimmt uns keine Entscheidungen ab. Aber sie hilft dabei. In Jonas Fall war letztendlich das Leben sehr vieler Menschen wichtiger als seine Glaubwürdigkeit und sein Ruf. Sein einziger Halt im Leben ist Gott. Und Gott sagt uns „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Und dieser Satz bietet schon eine gute Grundlage für Entscheidungen im Leben.

Amen.