HimmelsAnker Nr. 50 vom 14.02.21

HimmelsAnker zu Estomihi 2021 | Jesaja 58,1-9a

Alles wieder normal, bitte!

Die Politik hat verhandelt. Einige Lockerungen wird es geben, aber normal wird es erstmal nicht. Das dauert noch. Dabei fühlt es sich jetzt schon an wie eine Ewigkeit. Hinzu kam diese Woche dann noch das Wetter. Haben Sie auch Eis vom Gehweg kratzen müssen? Haben Sie sich getraut, Auto zu fahren? Alles geht einfacher, wenn alles normal ist: Ich kann ohne Eis und Schnee Straßen und Gehwege benutzen, ich kann ohne Pandemie einfach so Essen gehen oder zum Friseur – und das sogar ohne Maske!

Normal ist gut. Normal ist schön. Das hat sich bestimmt auch das Volk Israel gedacht, als es nach 70 Jahren Exil endlich wieder ins Land Juda und in die Stadt Jerusalem zurückkehren konnten. Endlich wieder normal. Jetzt wird alles gut. Geklappt hat das aber nicht so recht. Der Wiederaufbau wollte nicht gelingen. Gottes Segen scheint gefehlt zu haben. Darum wurden Fastentage eingeführt. Das Volk sollte an Gottes Geschichte mit seinem Volk erinnert werden. Und in diese Situation hinein platzt Jesaja. Der Prophet macht seinem Volk Vorhaltungen: Ihr tut weder Recht noch Gerechtigkeit! Die Armen verlieren schon wieder ihr Land, manche verkaufen ihre Kinder in Schuldknechtschaft, während andere in schicken und teuren Häusern wohnen. Das ist doch nicht normal! Es geht doch nicht, dass einige wenige auf Kosten anderer leben! Kein Wunder, dass Gottes Segen da fehlt. Da hilft auch das Fasten nichts, wenn es nur heißt, in Sack und Asche zu gehen, den Kopf hängen zu lassen, aber ansonsten so weiterzumachen wie bisher. Jesaja findet deutliche Worte:

Das wäre ein Fasten, wie ich es liebe: Löst die Fesseln der zu Unrecht Gefangenen, bindet ihr drückendes Joch los! Lasst die Misshandelten frei und macht jeder Unterdrückung ein Ende! Teil dein Brot mit dem Hungrigen, nimm die Armen und Obdachlosen ins Haus auf. Wenn du einen nackt siehst, bekleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Nächsten! Dann bricht dein Licht hervor wie die Morgenröte, und deine Heilung schreitet schnell voran. Deine Gerechtigkeit zieht vor dir her, und die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach. Dann antwortet der Herr, wenn du rufst. Wenn du um Hilfe schreist, sagt er: Ich bin für dich da!

Lange ist das her. Über 2500 Jahre. Vieles hat sich seitdem verändert. Der immer wiederkehrende Wunsch nach Normalität ist aber heute noch aktuell. Die fehlende Gerechtigkeit leider auch. Und auch heute gibt es noch so etwas wie Propheten. Thomas Gsella klingt jedenfalls mit seinem Gedicht aus dem letzten Jahr wie ein Prophet:

Quarantänehäuser sprießen,
Ärzte, Betten überall,
Forscher forschen, Gelder fließen,
Politik mit Überschall.
Also hat sie klargestellt:
Wenn sie will, dann kann die Welt.
Also will sie nicht beenden
das Krepieren in den Kriegen
das Verrecken vor den Stränden.
Und dass Kinder schreiend liegen
in den Zelten, zitternd, nass.
Also will sie. Alles das.

Wir sehnen uns zurück nach „normal“. Weil das für uns schöner ist. Einfacher. Und wir machen Druck, setzen alles in Bewegung, damit endlich wieder Normalität einkehrt. Wir verlieren dabei aus dem Blick, dass das nicht reicht. Darum brauchen wir Propheten wie Jesaja. Sie rufen uns zur Solidarität mit denen, die durch Netze fallen und deren Träume platzen, zur Hilfe für die Vergessenen in den Lagern dieser Welt, auf Lesbos, in Nordafrika und anderswo, und für alle, die hierzulande unter die Räder kommen. „Normal“ wäre, wenn sie alle gut und in Frieden leben könnten. Weihnachten ist gar nicht so lange her. Da haben die Engel gesungen. Sie waren ja die einzigen, die es durften. „Schalom!“ haben sie gesungen. Friede soll sich ausbreiten. Jesaja wäre einverstanden. Damit das Leben endlich „normal“ wird – für alle.