HimmelsAnker Nr. 90 vom 14.11.21

HimmelsAnker zum Volkstrauertag

Liebe Gemeinde,

heute ist Volkstrauertag. Ein Tag, der uns daran erinnert, wie sinnlos Kriege sind und wie wichtig es ist, an all die Opfer jener Kriege zu denken. An welche Kriege denken Sie, wenn Ihnen dieses Thema begegnet? An selbst erlebte Kriege? An Kriege, von denen Ihnen in Geschichten Ihrer Eltern oder Großeltern erzählt wurde? An Kriege aus dem Geschichtsunterricht? Oder vielleicht an Kriege, die Sie in Ihrem Alltag zu kämpfen haben?

Die Lesung für diesen Sonntag steht in der Bergpredigt. Sie erzählt von den Werken der Barmherzigkeit. Dort geht es darum, dass Jesus die Menschen auffordert, anderen Menschen zu helfen, die auf Hilfe angewiesen sind. Ich will heute versuchen, diesen Aufruf zu ganz konkreten Werken mit dem heutigen Predigttext zu verbinden. Dieser stammt aus dem Buch Hiob 14:

1 Was ist der Mensch, von einer Frau geboren?
  Sein Leben ist kurz und doch voller Unruhe.
2 Wie eine Blume blüht er auf und wird abgeschnitten.
  Wie ein Schatten flieht er und bleibt nicht hier.
3 Trotzdem richtest du deine Augen auf ihn
  und gehst mit ihm ins Gericht.
4 Gibt es einen Menschen, der von Geburt an rein ist?
  Es gibt keinen einzigen!
5 Darum sind seine Tage begrenzt,
  die Zahl seiner Monate steht fest.
  Du hast seinem Leben eine Grenze gesetzt,
  die kann er nicht überschreiten.

Hiob spricht hier in poetischer Sprache. Ich weiß nicht, wie bekannt Ihnen dieses Buch der Bibel ist. Deshalb hole ich etwas weiter aus: Hiob soll von Grund auf ein gerechter Mensch gewesen sein. Einer, der sein Leben in Nächstenliebe gelebt hat und für andere da war. Trotzdem ist sein Leben durch viele Tiefen geprägt. Er verliert seine Frau, seine Kinder, sein Hab und Gut und erkrankt selbst schwer. Er kommt zu dem Entschluss, dass kein Mensch rein sein kann von Geburt. Warum sonst hätte Gott ihn mit so vielen schlimmen Dingen bestraft? Doch so einfach ist die Rechnung nicht. Hiob hat nicht gesündigt und dennoch widerfährt ihm das Übel. Hier wird deutlich: Wir können die gerechtesten Menschen überhaupt sein und dennoch schlimmes Leid erfahren. In der Lesung wird auch das Gericht angekündigt - für ALLE Menschen. Gott wird alle Menschen richten. Doch ich glaube fest daran: Der Maßstab des Gerichts ist nicht von dieser Welt. Gott richtet anders, als wir es uns vorstellen können. Mit dem Maßstab der unendlichen Liebe.

Der Text der Werke der Barmherzigkeit nimmt übrigens genau Menschen in den Blick, die Leid erfahren haben. Menschen, denen es nicht gut geht. Kranke, Traurige, Hungrige und Durstige, bestimmt auch nach Leben. Arme Menschen werden ebenso bedacht. Die Liste könnte verlängert werden. Ich stelle mir vor, dass Jesus auch Menschen im Blick hatte, die Kriege erleben mussten. Auch denen soll geholfen werden.

Aber wie passt Jesu Aufruf zu ganz konkreten Werken damit zusammen, dass, so wie es sich bei Hiob herausstellt, sowieso alle gerichtet werden.

Für mich ergibt das Sinn, weil daraus ersichtlich wird, dass wir hier auf Erden schon am Reich Gottes bauen können. Wir können uns anderen Menschen annehmen, ihnen ganz konkret unsere Hilfe anbieten. Besser noch: Wir können auf Hilfe von anderen hoffen und diese in Anspruch nehmen. Hier in der Gemeinde habe ich das schon erlebt. Sie wahrscheinlich auch. Auch der Volkstrauertag animiert dazu. Wir können der Opfer von Krieg und Gewalt gedenken. Und uns auch unseren eigenen Kriegen im Leben annehmen. 

Diese Texte, die von Gericht handeln, beruhigen mich, wenn ich so über sie nachdenke. Weil ich mit meinen inneren Kriegen nicht allein bin. Es schenkt mir Zuversicht, dass mich etwas unendlich Größeres umgibt und liebt. Es befähigt zum Bau am Reich Gottes im Hier und Jetzt.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete neue Woche.

Ihre Vikarin Alica Baron-Opsölder