HimmelsAnker Nr. 10 vom 16.05.20

Vater und Mutter unser

HimmelsAnker zu Rogate
Ex 3,14; Mt 6,7–8

Betet! Oder auf Latein: Rogate! So heißt der Sonntag dieser Woche.

Los, betet! Das ist manchmal leichter gesagt als getan. Beziehungsweise das Gegenteil: Leichter getan als gesagt. Oft fehlen mir nämlich die richtigen Worte. Sich einfach hinsetzen, die Hände falten und dann … Ja, was dann? "Hallo Gott, wie geht es dir"? Oder "Heiliger Vater, Schöpfer allen Lebens, Herr der Heerscharen, allmächtiger Gott"? Oder "Mutter unser im Himmel"? Was ist denn jetzt richtig? Was darf ich sagen? Die Antwort ist ganz einfach: Alles. Alles ist richtig. Alles darf ich sagen. Oder auch nichts.

Und zwar deswegen: Gott hat zu Mose gesagt: "Ich bin, der ich bin." Oder: "Ich bin, der ich sein werde." In der hebräischen Bibel steht da יהוה (JHWH). Wie dieser Gottesname richtig ausgesprochen wird, kann heute niemand mehr mit Gewissheit sagen. (Mehr Informationen zur Aussprache gibt es unter: https://de.wikipedia.org/wiki/JHWH#Aussprache) Und auch die Übersetzung ist nicht so einfach. In der Forschung zum Alten Testament gibt es viele verschiedene Vorschläge. Hans Küng übersetzt z.B. "Ich bin da, als der ich da sein werde". Er versteht den Gottesnamen als "eine Absichtserklärung zur Anwesenheit, zum dynamischen Dasein, Gegenwärtigsein, Wirklichsein, Wirksamsein, die keine Objektivierung, Festlegung oder Verfestigung eines Gottesbildes" zulässt. (Mehr dazu gibt es unter: https://de.wikipedia.org/wiki/JHWH#%C3%9Cbersetzungen) Gott legt sich nicht fest. Er nimmt sich die Freiheit, der für uns zu sein, den wir brauchen. Oder die. Gott ist nämlich nicht nur männlich. Es wäre also auch völlig in Ordnung, das "Vater unser" als "Mutter unser" zu beten. (Mehr dazu gibt es hier: https://www.freitag.de/autoren/antjeschrupp/mutter-unser)

Das "Vater unser" ist das bekannteste Gebet im Christentum. Alle Christen beten es. Auf der ganzen Welt. Wir haben es von Jesus gelernt. Es steht in der Bibel. Und bevor Jesus uns im Matthäusevangelium das "Vater unser" vorstellt, sagt er:

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

Gott weiß, was wir auf dem Herzen haben. Es ist also völlig in Ordnung, wenn ich meine Sorgen, meine Ängste und auch alle anderen Gefühle nicht in Worte fassen kann. Gott versteht mich trotzdem. Er kennt mich. Vielleicht sogar besser als ich mich selber kenne. Und er ist für mich da. Immer. Und nicht nur für mich, sondern für alle Menschen weltweit. Für uns ist er der, der er ist. Oder die, die sie sein wird.

Amen.

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