HimmelsAnker Nr. 70 vom 20.06.21

3. Sonntag nach Trinitatis | Lukas 15,1-7

Ich bin in Eile. Nur noch schnell Schuhe anziehen, den Schlüssel einpacken und mein Portemonnaie. Wo ist mein Portemonnaie? Ich hab’s doch dahin gelegt! Auf den Schuhschrank. Oder? Anscheinend nicht. In der Schublade? Nein. Hab ich es oben gelassen? Treppe rauf. Kein Portemonnaie. Treppe wieder runter. In der Küche? Nein. Wo ist das Ding bloß? Ohne kann ich nicht los! Ohne Geld und Führerschein und Geldkarte und das alles …
Ha! Da liegt es ja! UNTER dem Schuhschrank. Wie es da wohl hingekommen ist?! Na, egal. Schnell los jetzt!

Liebe Gemeinde, Gott sucht den Menschen. Die Bibel erzählt uns viele Geschichten darüber, wie Gott den Menschen sucht. Nicht der Mensch Gott. Gott sucht den Menschen schon ganz am Anfang: Wo bist du? Ruft er Adam und Eva zu, die sich verstecken, weil sie vom Baum der Erkenntnis gegessen haben. Und trotzdem ruft Gott: Mensch, wo bist du? Er lässt den Menschen nicht im Stich. Gott macht sich auf die Suche. So ähnlich, wie ich manchmal mein Portemonnaie oder etwas anderes Verlorengeglaubtes suche.

Die Geschichte damals im Paradies, die ging nicht gut aus. Gott hat die Menschen gefunden, aber sie waren nicht mehr dieselben wie vor dem Genuss der Frucht vom Baum der Erkenntnis. Sie müssen das Paradies verlassen. Was bleibt ist Gottes Sehnsucht nach dem Menschen.

Das Gleichnis vom verlorenen Schaf erzählt auch von Gottes Sehnsucht nach den Menschen:

Lukas 15
1 Alle Zolleinnehmer und andere Leute, die als Sünder galten, kamen zu Jesus, um ihm zuzuhören.
2 Die Pharisäer und Schriftgelehrten ärgerten sich darüber. Sie sagten: »Mit solchen Menschen gibt er sich ab und isst sogar mit ihnen!«
3 Da erzählte ihnen Jesus dieses Gleichnis:
4 » Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eins von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet?
5 Und wenn er's gefunden hat, so legt er sich's auf die Schultern voller Freude.
6 Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen:
›Freut euch mit mir! Ich habe das Schaf wiedergefunden, das ich verloren hatte.‹
7 Das sage ich euch: Genauso freut sich Gott im Himmel über einen Sünder, der sein Leben ändert. Er freut sich mehr als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben, ihr Leben zu ändern.«

„Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eins von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und geht dem verlorenen nach, bis er’s findet?“ Wer von uns käme auch nur auf die Idee? Das ist doch total unrealistisch. Stellen wir uns kurz die Situation vor: Wir sind Hirte und haben diese prächtige Herde, die 100 Schafe zählt. Dann fällt uns auf: Da fehlt eins. Damit fängt es ja eigentlich schon an! Würde es uns überhaupt auffallen? Aber nehmen wir mal den außergewöhnlichen Fall an, es wäre uns aufgefallen. Was dann? Lassen wir wirklich die Herde in der Wüste zurück, um das eine zu suchen? Wäre das nicht grob fahrlässig? Wir würden das eine Schaf suchen und hätten in der Zwischenzeit keine Kontrolle über den Rest der Herde. Wahrscheinlich kämen wir mit dem einen Schaf zurück, nur um festzustellen, dass 7 Schafe von den Wölfen gerissen worden sind, 8 sind in eine Felsspalte gefallen und 13 weitere verweigern sich uns Hirten und behaupten steif und fest, dass es weder Wölfe noch Felsspalten gebe. Das Risiko wäre einfach zu groß. Und was das für ein wirtschaftlicher Schaden wäre!
Da geben wir doch lieber das verlorene Schaf auf.

Gott ist ganz anders als wir. Er kann das verlorene Schaf nicht vergessen. Gott sucht. Gott sucht den Menschen. Gerade den verlorenen. Den Sünder, den Zöllner, den Säufer, den Ausgestoßenen. Er rechnet nicht aus, was mit den anderen passieren könnte. Darüber macht er sich keine Gedanken. Was gerade in diesem Augenblick zählt, ist das einzelne verlorengegangene Schaf. Das eine. Das eine, das er sucht. Und wenn er es findet, „legt er sich’s auf die Schultern voller Freude“. Voller Freude. Seine Freude ist grenzenlos. Für einen Menschen aus unserer heutigen wirtschaftlich und rational denkenden Gesellschaft ist diese Freude kaum nachzuvollziehen. Zu sehr ist er damit beschäftigt, zu rechnen, zu kalkulieren, zu rationalisieren.

Bei Gott ist es anders. Er macht sich auf die Suche, bis er findet. Er sucht so lange bis er findet. Er geht dem Schaf nach, bis er es findet. Er geht uns nach, bis er uns findet. Jede und jeder von uns ist Gott wichtig. Ganz egal, wo wir uns verlaufen oder wo wir verloren gehen. Er will uns finden. Auf keine, auf keinen will er verzichten. Denn alle Menschen liegen ihm am Herzen. Und wenn er uns gefunden hat, dann ist die Freude grenzenlos.