HimmelsAnker Nr. 92 vom 28.11.21

HimmelsAnker zum 1. Advent

Lebkuchen, Zimtstern, Kinderpunsch. Dominostein, Glühwein, Schokonikolaus und Marzipan. Endlich. Darauf hab’ ich gewartet. Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. Und jetzt: Endlich wieder Lebkuchen. Also guten Gewissens. Man kann den Lebkuchen ja auch schon seit Mitte August kaufen. Aber Advent ist nun mal erst jetzt. Und zwischen August und dem 1. Advent klafft dann entweder die Lücke der Enthaltsamkeit. Oder die Lücke des schlechten Gewissens.

 

Sagen Sie mal: „Wann haben Sie in diesem Jahr den ersten Lebkuchen gegessen? Im August, im September, im Oktober? Nein, antworten Sie bitte nicht. Ich will es nicht wissen. Ich will mich weiter der Illusion hingeben, dass immerhin die Kirchgänger*innen erst im Advent Lebkuchen essen. Wobei … ich weiß auch grad gar nicht, wann ich in diesem Jahr den ersten Lebkuchen gegessen habe.

Na ja … Jetzt im Advent ist es ja auch egal. Ab jetzt kann man auch kirchenkalendarisch gerechtfertigt Lebkuchen essen.

Denn nun beginnt sie: Die Fastenzeit. Die Fastenzeit bis Weihnachten. Ja, Fastenzeit! Wirklich. Ist mein Ernst.

 

Eigentlich ist die Adventszeit eine Fastenzeit. Ja, ich weiß, das ist heute nicht mehr vermittelbar. Die meisten Leute beginnen ihre Diät aus guten Gründen erst nach Weihnachten. Aber es ist nun mal so. Adventszeit ist Fastenzeit. Also -  theoretisch.

 

Jetzt können Sie fragen: „Was soll denn das? Wozu denn jetzt Fastenzeit? Weihnachten ist schließlich nicht Ostern!“

Das stimmt. Weihnachten ist wirklich nicht Ostern. Allenfalls wettertechnisch.

Aber wie zu Ostern hat man vorher eine Fastenzeit geschaltet. Zur Vorbereitung. Die Adventszeit, das ist die Zeit der Erwartung. Wir erwarten ja schließlich einen König. Gott stattet seiner Welt in Gestalt eines Menschen einen Besuch ab.

 

„Siehe, dein König kommt. Hosianna dem Sohn Davids. Das Volk aber, das ihm voranging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!“, so steht es im Matthäusevangelium.

 

Und wie das so ist, wenn man Gäste erwartet -  einen König oder, sagen wir … die Schwiegermutter: Da räumt man halt vorher nochmals die Bude auf. Und legt ein paar Palmzweige auf den Boden vielleicht. Nicht, dass die Schwiegermutter geschweige denn der König etwas zu meckern findet. Muss alles schön sein. Ordentlich. Oder wenigstens die großen Schweinereien sollte man beseitigt haben.

 

Tja, und das mit dem Fasten, das hat etwas mit den Vorbereitungen auf den Gast zu tun:

Fasten: Das ist so etwas wie ein inneres Aufräumen. Damit der König oder die Schwiegermutter einen dann in Topform vorfindet. Und das Urteil dann möglichst gnädig ausfällt.

 

Jetzt werden Sie einwenden: „Na gut, wenn es sein muss: Adventszeit gleich Fastenzeit. 

Vielleicht ist das mal so gewesen.

Aber ist es dann nicht unlogisch, dass dann die Lebkuchen ausgerechnet in der Adventszeit erlaubt sind? Ist das nicht inkonsequent? Lebkuchen ist ja jetzt nicht eben kalorienarm, oder?“

 

Aber Lebkuchen ist nun mal erlaubt. Lebkuchen ist nämlich eine Fastenspeise. Also: traditionell. Wenn Sie in der Adventszeit ordentlich Lebkuchen essen, können Sie immer noch sagen, Sie fasten. Praktisch, oder? Sie dürfen halt nur nicht glauben, Sie nähmen davon ab.

 

Und aufgepasst: Klassischerweise trank man zum Lebkuchen in der Fastenzeit dann auch noch ordentlich Starkbier. Bier, das wissen Sie, ist ja ein Fastengetränk. „Flüssigbrot“.

Ja, die Mönche wussten schon, wie das ging mit dem Fasten. Das mit dem Bier zum Lebkuchen ist heute eher unüblich, wobei … Ob man das Starkbier durch Glühwein ersetzen kann … Ich weiß es nicht … Wie auch immer:

Dass Lebkuchen als Fastenspeise gilt – trotz hohen Kaloriengehalts –, liegt übrigens an den Gewürzen. Ich weiß gar nicht, was da alles drin ist - Ich kann die Dinger essen, aber nicht backen. Aber den Gewürzen wird in jedem Fall eine reinigende Kraft nachgesagt. Und deshalb tragen Lebkuchen, wegen der Reinigung – also der inneren – zur Vorbereitung auf die Ankunft des Königs bei.  „Siehe, dein König kommt …“ Und vorher isst du besser erst noch mal ein Lebkuchen …

 

Von daher ist es vielleicht auch gar nicht so wild, wenn man mit den Lebkuchen Mitte August beginnt. Dann ist der Reinigungszeitraum länger. Und wer weiß, vielleicht macht es ja bei dem einen oder anderen auch Sinn, die Ankunft des Königs langfristig vorzubereiten.  Wer weiß, wie das innere Haus im Einzelfall aussieht?

 

Übrigens: Dass Lebkuchen bei uns in der Adventszeit auftauchen, ist historisch auch eher eine jüngere Erfindung. Ursprünglich gab es Lebkuchen auch in der Fastenzeit vor Ostern. Eigentlich gab es Lebkuchen sogar das ganze Jahr. Die Mönche haben die gebacken. Und weil die Lebkuchen wegen des immensen Zuckergehaltes so lange haltbar waren, konnten die Mönche die gut lagern. Und dann, wenn die Menschen aus irgendeinem Grunde nicht genug zu essen hatten, sind die Mönche mit dem Lebkuchen aus den Klöstern gekommen und haben den Menschen zu essen gegeben. Auch jenseits der Adventszeit. Na, und was früher die Klöster waren ..., das machen heute eben Lidl oder Aldi oder REWE oder Penny.

 

Lebkuchen ist eigentlich ein Fastengebäck. Das zur inneren Reinigung helfen sollte.

Zur inneren Vorbereitung auf den König. „Siehe, dein König kommt – und ja alles schön in Ordnung bringen, aufräumen, dass der König einen in Topform vorfindet. Klingt jetzt natürlich auch so, als müsse man sich vor diesem König schon auch in Acht nehmen.

 

Aber:

Was, wenn man sich nicht ausreichend vorbereitet hat? Wenn das innere Haus noch total zugemüllt ist? Und der König dann kommt. Was dann? Ist dann das große Donnerwetter zu erwarten? Oder ist dann buchstäblich die Hölle los?

Bei einem klassischen König wäre das vielleicht zu erwarten. Der mit wehenden Fahnen und Säbelgerassel und donnernden Hufschlägen kommt. Gewaltig und mächtig und stark. Vielleicht müsste man so einen König tatsächlich fürchten.

 

Allerdings ist der König, den wir zu Weihnachten erwarten, ein anderer:

„Und als er in Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und sprach: Wer ist der?“

Siehe, dein König kommt zu dir – sanftmütig.

Und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers. Und lässt sich gebären und in Windeln wickeln und in eine Krippe legen. Der König, den wir erwarten, zeichnet sich eben nicht dadurch aus, dass er mit eiserner Faust durchregiert.

 

Vor ihm muss man sich nicht fürchten. Sanftmütigkeit ist sein Gefährt, seine Königskrone ist Heiligkeit. Sein Zepter ist Barmherzigkeit. Wie ein Kinderlächeln.

Selbst wenn es mit der Reinigung nicht gelingt, wenn es ein innerer Schweinestall bleibt, selbst dann ist dieser König kein König zum Fürchten.

 

Eher im Gegenteil. Sie wissen ja alle, wie die Geschichte mit Jesus ausgegangen ist. Nachdem er nach Jerusalem auf dem Esel eingeritten ist, endet die Geschichte wo? Am Kreuz.

Auch mitten in der Passionszeit lesen wir ja diese Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem. Jesus zieht ein in diese Welt. Wir erwarten das Kind, das dann am Kreuz sterben wird.

 

Und dieses Kreuz ist ja nun grade das Symbol dafür, dass wir diesen König auch bei innerem Schweinestall nicht zu fürchten haben.

Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig … Er hilft dir mit dem inneren Schweinestall und verurteilt dich nicht. Er macht dir die Hölle nicht heiß. Er zieht mit Gnade ein und führt den Weg zur ewigen Seligkeit.

 

Deshalb braucht es streng genommen auch gar keine Lebkuchen mehr in der Adventszeit. Also jedenfalls nicht, weil der König einen nur im gereinigten Zustand akzeptiert. Aber vielleicht kann der Lebkuchen dabei helfen, sich bewusst auf den Gast einzustellen. Fürchten muss man ihn nicht. Man darf sich auf ihn freuen. Und Vorfreude ist ja die schönste Freude. Und als Vorgeschmack – als Vorbereitung auf den König, der kommt – lässt man sich den Lebkuchen schmecken. Lebkuchen nicht aus Angst. Lebkuchen aus Nüssen und Gewürzen … und: aus Vorfreude.