HimmelsAnker Nr. 93 vom 05.12.21

HimmelsAnker zum 2. Advent

Liebe Gemeinde,

der heutige Predigttext spricht mir aus der Seele. Ihnen ja vielleicht auch. Er steht bei Jesaja im 62. Kapitel:
 
Schau doch vom Himmel herab, wo du in Heiligkeit und Pracht wohnst! Wo sind deine brennende Liebe und deine Macht? Dein großes Mitgefühl und deine Barmherzigkeit – wir merken nichts davon. Du bist doch unser Vater! Abraham weiß nichts von uns und Israel kennt uns nicht. Du, Gott, bist unser Vater, »unser Befreier« – das ist von jeher dein Name. Warum lässt du uns in die Irre gehen, sodass wir deinen Weg verlassen, Gott? Warum machst du unser Herz so hart, dass wir keine Ehrfurcht mehr vor dir haben? Wende dich uns wieder zu! Wir sind doch deine Knechte, wir sind die Stämme, die für immer dir gehören. Für kurze Zeit wurde dein heiliges Volk vertrieben, unsere Feinde traten dein Heiligtum mit Füßen. Es geht uns, als wärst du nie unser Herrscher gewesen. Es ist, als wären wir nicht nach deinem Namen benannt. Reiß doch den Himmel auf und komm herab, sodass die Berge vor dir beben! Komm wie ein Feuer, das trockene Zweige in Brand setzt und Wasser zum Kochen bringt!

Heute ist der zweite Advent. Bald erinnern wir uns wieder an Jesu Geburt. Weihnachten kommt mit gewaltig großen Schritten auf uns zu. Für einige wird dieses Fest ganz und gar wunderbar. Andere haben ein mulmiges Gefühl. Wieder anderen geht es mit dem Gedanken an das nahende Weihnachtsfest richtig schlecht. In der Zeit bis Weihnachten ist die Suizidrate so hoch, wie zu keiner anderen Zeit des Jahres. Diese Zeit macht etwas mit uns. Sie rührt uns an. Egal, ob wir unsere Wohnung schmücken oder uns ganz bewusst dagegen entscheiden. Egal ob wir jeden morgen ein neues Türchen eines Adventskalenders öffnen oder allen adventlichen Erlebnissen ganz bewusst aus dem Weg gehen.

Diese Zeit bewegt uns. Warum eigentlich? Weihnachten ist das Fest der Liebe. Der Liebe Gottes zu uns Menschen. Aber auch der Liebe, die wir in unserem Leben unter uns Menschen spüren dürfen. Der Liebe zu meinem Partner oder meiner Partnerin. Der Liebe zu Eltern, Kindern, Freundinnen und Freunden. Der Liebe zu meinem Beruf, meinen Hobbys oder zu meinem Haustier. Es liegt im Wesen der Liebe unter uns Menschen, dass sie sich verändern kann. Beziehungen können kaputt gehen. Solche Prozesse können richtig weh tun. Da fällt es dann gar nicht leicht, sich auf die Liebe Gottes einzulassen, die uns durch sein Menschwerden an Heiligabend zuteil wird.

Der Lesungstext erzählt von der Vorstellung der Wiederkunft Christi. Im Predigttext geht es um die Klage vor Gott, dass sie endlich eingreift. Gott soll endlich eingreifen. So wie ein Vater für seine Kinder da sein. Gott soll als Befreierin auf die Erde kehren, um uns von Tod und Einsamkeit, von fehlender Liebe und überflüssigem Leid zu erlösen.

Gott, reiß doch den Himmel auf und komm herab, das fordern die Autor*innen dieses Textes.

Gott, reiß doch den Himmel auf und komm herab, hier auf unsere Welt, Du wirst so sehr gebraucht. Komm‘ herab zu all den einsamen Menschen, auch zu denen, die einsam mitten im Trubel sind, weil sie ihr Innerstes mit niemandem teilen können. Komm herab zu all den Menschen, die in ihrem Leben keinen Wert mehr erkennen. Komm herab zu all denen, die sich hinter Lichterketten und Weihnachtsdekorationen verstecken, weil sie schlimme Erlebnisse der letzten Monate verdrängen. Komm herab zu mir, zu ihm und zu ihr, zu uns allen.

Die Hoffnung auf die Wiederkunft Christi, auf die wir uns im Advent vorbereiten, ist gar nicht so leicht aufrecht zu erhalten. Was bringt mir die Vorfreude auf etwas, was vielleicht noch so lange dauern wird.

Die Zeit im Advent rührt uns an. Negativ wie positiv. In den letzten Tagen hatte ich einige Adventsmomente hier in der Gemeinde, die in mir Hoffnung geweckt haben.

Ich habe einige Hausbesuche gemacht bei denen ich Gast sein durfte bei Menschen aus der Gemeinde. Ich durfte ihre Geschichten erfahren. Mit ihnen reden, lachen, trauern und schweigen. Für mich hat sich in diesem Moment der Himmel ein Stück aufgetan.

Ich habe von einer Mitarbeiterin ein kleines Geschenk bekommen, nachdem wir das nächste Programm für unsere Konfis geplant und dabei sehr viel Spaß gehabt haben. Für mich hat sich in diesem Moment der Himmel ein Stück aufgetan.

Ich habe davon gehört, dass die Kirche in Hiltrop wieder geöffnet werden darf und über die Freude von einigen Menschen aus dieser Gemeinde, die so gerne in diese Kirche gehen. Für mich hat sich in diesem Moment der Himmel ein Stück aufgetan.

Vielleicht haben sie ja auch solche oder ähnliche Erlebnisse gehabt in der vergangenen Zeit. Ein gutes Gespräch, ein kleiner Gruß, ein Lächeln an der Supermarktkasse. All das kann damit gemeint sein. Da hat Gott ein Stück Himmel aufgetan.

Gottes brennende Liebe erlöscht niemals. Sie wird uns ewig zuteil. Gerade den Gebeugten und Niedergedrückten, den Zurückgewiesenen und Benachteiligten gilt die Frohe Botschaft: Haltet durch! Richtet euch auf, denn Gott sieht die Bedrängnis und hört das Klagen. Auch wenn es nicht so scheint: Wer auf Erlösung wartet, hofft nicht vergeblich. Wie der Frühling auf den harten Winter folgt und die Ernte auf die Saat, so wird der Sehnsucht nach Gott sein Kommen folgen. Darum: Kopf hoch, damit ihr ihn kommen seht. Der Zweite Advent spricht von einem kosmischen, umwälzenden Befreiungsgeschehen. Die Wiederkunft Jesu wird nicht unbemerkt bleiben. Sie wird uns erschrecken, aber nicht zum Fürchten sein. Wer beharrlich mit seiner kleinen Kraft nach Gott Ausschau hält, den wird sie nicht enttäuschen.

In dem kleinen Geschenk, was ich von der Mitarbeiterin bekommen habe, war eine kleine Kerze. Ein kleiner Eisbär mir Schal und Docht. Ich lasse diese Kerze brennen in der Hoffnung, dass Gott uns nah ist auch im Warten auf Christi Wiederkunft. Gott ist längst da. Sie wartet mit. Sie schenkt uns ihren Segen und ihre unendliche Liebe.

Amen

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten zweiten Advent.

Ihre Vikarin Alica Baron-Opsölder