HimmelsAnker Nr. 96 vom 24.12.21

Bethelehem, ich komm aus dir

HimmelsAnker zu Heiligabend 2021 | Micha 5, 1 - 4a

Nein, dafür bist du viel zu klein! Du darfst im Auto nicht vorne sitzen. Du darfst beim Schleppen nicht mitanpacken. Du darfst nicht mitspielen. Du darfst nicht mitmachen. Du bist ausgeschlossen. Und alles nur, weil du zu klein bist! Dabei kannst du gar nichts dazu! Du bist ja nicht mit Absicht so klein. Du kannst nichts daran ändern. Da bist du machtlos. Du kannst nur dabei zugucken, was die Großen machen. Nein, dafür bist du viel zu klein!

„Nein, dafür bist du viel zu klein!“ Ich wette, jede und jeder von uns hat diesen Satz schonmal gehört. Können Sie sich noch daran erinnern, wie sich das angefühlt hat? Ich kann es, ehrlich gesagt, nicht so richtig. Das ist schon ziemlich lange her, dass ich ein kleines Kind war. Jetzt sagt mir niemand mehr, dass ich beim Schleppen nicht mitanpacken darf. Schade, eigentlich! Nee, Quatsch. Ich packe eigentlich immer gerne mit an. Das ist ja auch ein gutes Gefühl, wenn man helfen kann, wenn man gebraucht wird. Genauso schlecht ist das Gefühl, wenn man nicht helfen kann, wenn man nicht gebraucht wird. Wenn man tatenlos und machtlos zusehen muss. Wenn man ausgeschlossen ist.

Das ist für einen allein ja schon schlimm genug, dieses Gefühl. Das passiert aber nicht nur einzelnen Menschen, sondern ganzen Bevölkerungsgruppen oder auch Orten. Und das sogar in der Bibel! Zum Beispiel im Predigttext für heute. Micha 5. Da steht:

„Du aber, Bethlehem Efrata, bist zu klein, um zu den Landstädten Judas zu zählen.“

Nein, Bethlehem, dafür bist du zu klein! Du darfst bei den Großen nicht mitmachen. Du bist keine Weltstadt. Na, kommt ihnen das bekannt vor? Genau. Der Satz stammt aus der zweiten Strophe des Liedes „Bochum“ von Herbert Grönemeyer:

„Du bist keine Weltstadt.
Auf deiner Königsallee
finden keine Modenschauen statt
Hier, wo das Herz noch zählt.
Nicht das große Geld.
Wer wohnt schon in Düsseldorf?“

Die inoffizielle Hymne unserer Stadt sagt ganz klar: Es ist überhaupt nicht schlimm, nicht zu den Großen zu gehören. Man kann’s ja trotzdem in die erste Liga schaffen. Aus einer kleinen Stadt kommen eben auch gute Dinge. Grubengold zum Beispiel. Und wenn’s auch nur die ehrliche Haut ist. Bochum muss sich ganz bestimmt nicht verstecken. Nicht mal vor Düsseldorf.

Und Bethlehem muss sich auch nicht verstecken. Das wusste auch der Prophet Micha schon. Sein Text hört nämlich nicht damit auf, dass er Bethlehem sagt: Nein, du bist viel zu klein! So geht es weiter:

„5, 1 Du aber, Betlehem Efrata, bist zu klein, um zu den Landstädten Judas zu zählen. Doch aus deiner Mitte soll einer kommen, der Herrscher sein wird in Israel. Seine Wurzeln reichen zurück bis in die Urzeit, seine Herkunft steht von Anfang an fest.
2 – Darum wird die Not nur so lange anhalten, bis eine Frau das Kind zur Welt gebracht hat. Dann wird der Rest seiner Brüder heimkehren zu den Menschen in Israel. –
3 Er wird auftreten und sein Volk weiden. Dazu gibt ihm der Herr die Kraft und die Macht. Sie liegt in dem Namen des Herrn, seines Gottes. Dann wird man wieder sicher im Land wohnen können. Denn seine Macht reicht bis zum Rand der Welt.
4 Er wird sich für den Frieden stark machen.“

Das klingt doch schon ganz anders, oder? Nicht bloß „Du bist viel zu klein“, sondern auch „Gott hat noch viel mit dir vor, Bethlehem“. Das ist doch überraschend. Eigentlich hätte man doch erwarten können, dass der Messias aus Jerusalem kommen würde. Schließlich war das die große Stadt. Da stand der Tempel. Da war das Zentrum des jüdischen Glaubens. Aber nein. Gott macht es anders. Er sucht sich das kleine, scheinbar unbedeutende Bethlehem aus. Da soll der herkommen, der die Welt verändert. Der die Menschen zusammenbringt und sich für den Frieden stark macht. Derjenige, der für uns Christen Jesus ist. Dessen Geburt wir heute feiern.

Mit der Weihnachtsgeschichte setzt Gott ja sogar noch einen drauf. Da kommt sein Sohn nicht nur in einem kleinen, unbedeutenden Ort zur Welt. Nein! Obendrein ist ihm nicht mal ein richtiges Geburtshaus vergönnt, geschweige denn ein Bett! Gott stellt die menschlichen Maßstäbe einfach auf den Kopf. Bei Gott gibt es kein „Dafür bist du viel zu klein“. Keine Bevölkerungsgruppe, keine Stadt, kein winziger Ort, kein einziger Mensch ist für Gott zu klein oder zu unbedeutend. Gott kommt zu uns. An jedem Ort, in jedem Menschen.

Und was heißt das für uns? Was bedeutet die Weihnachtsbotschaft für uns heute? Ich sage jetzt nicht, dass Sie Ihrer dreijährigen Tochter einfach so die Bohrmaschine in die Hand drücken sollen oder Ihrem vierjährigen Sohn den Kochlöffel. „Häng doch mal eben den Spiegelschrank auf!“ „Koch uns doch mal ein schönes Weihnachtsessen mit Rotkohl und Klößen!“ Ich will Ihnen nicht erzählen, dass jede und jeder alles kann. Die Weihnachtsbotschaft ist keine Realitätsverweigerung. Die Weihnachtsbotschaft ist eine Erinnerung daran, dass Gott uns nahekommt. Er begegnet uns in jedem Menschen. Egal, wie klein und unbedeutend er oder sie wirken mag. Egal, wie klein und unbedeutend du dich manchmal selber fühlst. Gott ist in allen Menschen. Gott ist auch in dir.

Und Gott hat noch viel mit uns vor. Lasst uns auch so miteinander umgehen. Und das am besten nicht nur zu Weihnachten. So macht sich der Messias, so macht sich Jesus in uns für den Frieden stark.

Frohe Weihnachten!