HimmelsAnker Nr. 99 vom 16.01.22

Schuhe, Mantel und Schal. Er öffnet die Haustür. Kalte Luft. Nur ein paar Meter geht er zum Auto und setzt sich hinein. Der Morgen ist noch nicht da.
Er dreht den Zündschlüssel. Ein Dutzend Kontrollleuchten sagen: Das Auto ist da! Es ist alles wie immer. 7.19 Uhr, 2 Grad Celsius draußen. Das Radio geht an. Musik. Er atmet und fährt los.

Der Winter ist da. Weihnachten und Silvester waren gestern. Jetzt läuft das neue Jahr.  Monat Nr. 1 von 12. Der Januar, der nüchternste aller Monate. Noch so viel ist übrig von 2022. Und die Pläne und Hoffnungen schon wieder vom Alltag verdrängt. Feiern war gestern.

Gott hat einst gesagt: Aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten! Genauso hat Gott es in unseren Herzen hell werden lassen. Uns sollte ein Licht aufgehen und wir sollten erkennen: Es ist die Herrlichkeit Gottes, die wir sehen, wenn wir auf Jesus Christus schauen.

Eine Erinnerung an die biblische Deutung der Erschaffung der Welt. Gott macht das Licht in der Welt an. Gleich am ersten Tag von insgesamt sieben.
Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Es ist nicht mehr nur dunkel. Es ist auch hell. Ich mache es hell für euch. In euch und um euch herum! So ähnlich schreibt Paulus denen in Korinth. Diese Erleuchtung bringt Erkenntnis.
Weil dieses göttliche Licht uns erhellt, können wir sehen, was wirklich wichtig ist.
Das – so sagt Paulus – das können wir an Jesus ablesen. Das können wir von ihm lernen.

Das ist keine Kleinigkeit, was er da schreibt. Gott. Eigentlich unaussprechlich, nicht in Worte zu fassen. Gott, größer und weiter und tiefer als alles, was wir verstehen. Diese Erkenntnis hat uns Jesus vorgelebt. Wir können das auch erfahren, weil Gott bei uns ist.

Der Winter ist da. Weihnachten und Silvester waren gestern. Aber das Licht ist immer noch da.

Erst muss er aus dem Ort raus, fährt um einige Kurven. Hinter dem Ortsschild beschleunigt er. Die ganze Gegend hat sich in dichten Nebel gehüllt. In anderen Monaten ist es jetzt schon hell. Dann sieht er die Landschaft und die Menschen in den Autos, die auf der gleichen Straße fahren. Und den blauen Himmel. An schönen Tagen blendet ihn dann die tief stehende Sonne. Heute blenden nur die anderen Scheinwerfer, je näher sie ihm entgegenkommen.
Es ist dunkel und nebelig. Sein Auto nennt diesen Zustand 7.24 Uhr, 2 Grad Celsius draußen. Drinnen ist es schon angenehm warm. Aber er kann fast nichts erkennen. Es regnet nicht – und trotzdem braucht er hin und wieder den Scheibenwischer. Wie weit kann er gerade sehen? 50, 40, 30 Meter? Er ist froh über jedes grellrote Rücklicht, und über alle, die nicht so schnell fahren. Wenn er den Weg nicht genau kennen würde, hätte er wohl Mühe, ihn zu finden. Aber er weiß ja, wo er hin muss. Es ist ja jeden Tag dieselbe Strecke. Einmal hin und einmal zurück. ….

Mehrmals hin und zurück führten damals die Missionsreisen des Apostels Paulus, dessen Worte wir gerade gehört haben. Beschwerliche Reisen, nicht immer erfolgreich, mehr als einmal ist er dabei knapp am Tod vorbeigeschrammt. Aber er gibt nie auf. Woher nimmt er dafür die Energie?
Er antwortet: Ich habe einen Schatz. Und dieser Schatz ist ein Wissen, ein Vertrauen, der Glaube daran, was Jesus  - seine Worte, sein Leben – mich fühlen lässt: Gott ist da und lässt mich niemals allein. Gottes Licht macht mich hell, es leuchtet auch in mir.

Für Paulus heißt das:
Er kann die Hände nicht mehr in den Schoß legen und sitzen bleiben. Er möchte von seinem Glauben, von seinem Vertrauen weitererzählen, er will diese „frohe Botschaft“, diese „Gute Nachricht“ in die Welt hinaustragen.
Und das macht er dann ja auch. Ohne Auto, wenn möglich mit dem Schiff, meistens aber zu Fuß. Und dabei ist er sich sicher:

Wir tragen diesen Schatz aber in zerbrechlichen Gefäßen.
So wird deutlich, dass unsere überragende Bedeutung von Gott kommt und nicht aus uns selbst.
Wir stehen von allen Seiten unter Druck. Aber wir werden nicht erdrückt.
Wir sind ratlos, aber wir verzweifeln nicht.
Wir werden verfolgt, aber wir sind nicht im Stich gelassen.
Wir werden zu Boden geworfen, aber wir gehen nicht zugrunde.

8.09 Uhr. Plötzlich macht das Auto „Ping“ und reißt ihn aus seinem Gedankensumpf. Ist etwas kaputt? Nein, natürlich nicht. Das Auto macht „Ping“, weil es jetzt draußen 4 Grad warm ist. Er hat noch nie verstanden, wozu das gut ist, dass das Auto dann Ping macht. Aber er schreckt jedes Mal hoch und denkt dann immer: Puh. Nix Schlimmes. Nur die 4 Grad.
Wo war er gerade? Er sortiert gedanklich noch mal den Tag. Macht sich klar, wann er wo sein muss. Heute ist einer dieser Tage, da jagt ein Termin den anderen. Er weiß noch nicht, ob er eine Pause haben wird. Und wie lange der letzte Termin dauert. Es wird wohl wieder dunkel sein, wenn er zurückfährt. Aber wie spät wird es sein? Werden die Kinder noch wach sein?
Tagein, tagaus morgens raus und abends zurück. Zu viele Nächte schlecht geschlafen in den letzten Tagen. Es ist ganz schön viel wieder einmal.
Zu viel? Sendet sein Körper ihm Signale über die Kraft, die er hat? Die ihm bleibt? Wo kommt sie her, diese Kraft: Aus der Höhe seines Gehalts? Kommt sie von seiner Familie? Von seiner Frau, die ihn liebt und die er liebt?
Oder lebt er immer noch für die Idee, für den Traum, mit dem er vor Jahren einmal gestartet ist? Wo will er eigentlich hin mit seiner Zeit, mit seinem Leben. Die ganz große Frage – aber die stellt er besser nicht. Nicht jetzt.

Paulus schien trotz seiner Gebrechlichkeit vor Kraft nur so zu strotzen. Die Gewissheit der Gegenwart Gottes verleiht ihm dieses Gefühl.

Der Mann, der morgens durch den Nebel fährt, hat schon lange kein solches Gefühl mehr erlebt. Für ihn sind Urlaube nötige Pausen, und Arztbesuche meidet er. Es geht schon ohne, sagt er sich. Und wer weiß, was der Arzt finden würde.

Paulus und seine überschwängliche Kraft, seine überragende Bedeutung: Meint er das eigentlich ernst? Ist da vor lauter Licht gar kein Schatten, keine Müdigkeit, keine Antriebslosigkeit? Wie sagte er:
Täglich erfahren wir am eigenen Leib, was es heißt, mit Jesus zu sterben. Denn an unserem Leib soll ja auch sichtbar werden, was es heißt, mit Jesus neu zu leben.

Am Leben und Sterben Jesu – und an seinem Weiterleben bei Gott liest Paulus ab, wie Gott immer bei ihm ist – und wie Gott uns selbst durch den Tod hindurch begleitet. Daraus gewinnt er seine Kraft.
Natürlich gibt es Schatten! Aber um uns, in uns und für uns leuchtet Gott immer wieder auf. Darauf können wir vertrauen. Das dürfen wir glauben.

Das Auto steht nach einer guten Stunde Fahrt. Er zieht den Schlüssel ab. Für einen Augenblick ist es ganz ruhig. Er öffnet die Tür, steigt aus und atmet kalte Luft in seine Nase. Frische Luft. So etwa 4 Grad. Aber die Sicht wird besser. Er sieht klarer. Und staunt über die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Bald wird der Nebel sich verzogen haben. Es ist Winter. Mit Sonne. Mit Licht. Mit Gott.