HimmelsAnker Nr. 37 vom 22.11.20

Himmelsanker am Ewigkeits- oder Totensonntag 2020

Am 22. November, am letzten Sonntag des Kirchenjahres, gedenken wir evangelische Christinnen und Christen traditionell der Menschen, die in den zurückliegenden 12 Monaten beerdigt wurden.

Dazu besuchen wir gewöhnlich Gedenkgottesdienste an unterschiedlichen Orten und gehen auf die Friedhöfe, um Kerzen auf die Gräber zu stellen oder Blumen abzulegen. Und das tun wir, weil Kerzen und Blumen uns erinnern helfen, was Leben und was Liebe ist.

Verlassen wir gedanklich einmal unsere Friedhöfe. Und aus den Blumen und den Kerzen wird ein Baum ….

„Warum hat Opa eigentlich diesen Apfelbaum noch gepflanzt?“, fragt Sandra ihre Oma.

Es ist Frühling. Die beiden sitzen unter dem blühenden Baum, den Sandras Opa vor einigen Jahren gepflanzt hat. Damals wusste er schon, dass er sehr krank war. Und er hat wohl geahnt, dass er den Baum nicht mehr blühen sehen, seine Äpfel nicht mehr essen würde. Und so war es dann auch. Kaum ein Jahr später ist er gestorben.

„Ja“, wiederholt die Oma, „warum hat Opa den Apfelbaum gepflanzt? Ich denke, er wollte uns aus der Ewigkeit einen Gruß schicken.“

„Einen Gruß aus der Ewigkeit?“, fragt Sandra?

„Ja“, sagt die Oma. „Du weißt doch, dass der Opa fest an Gott glaubte. Er wusste, Gott hält mich und die ganze Welt in seiner Hand. Und das nicht nur im Leben. Er glaubte ganz fest, dass er auch nach seinem Tod bei Gott sein werde. Und er kannte die Bilder, mit denen die Bibel beschreibt, wie das ist, wenn das Leben nach dem Tod bei Gott weitergeht: Friede wird dort sein, es wird keinen Schmerz mehr geben, keine Tränen mehr. Opa glaubte ganz fest daran, dass er es „himmlisch“ haben würde bei Gott – so sagte er immer.
Und ich glaube, er wollte uns etwas von dieser Ewigkeit spüren lassen.
Opa wusste, dass wir natürlich traurig sein würden nach seinem Tod, dass wir vielleicht an Gott zweifeln und viele Fragen haben würden. Und so sollte uns dieser Baum vielleicht etwas Trost spenden, wenn wir hier unter dem blühenden Apfelbaum sitzen oder wenn wir im Herbst seine Früchte genießen. Dann soll ein bisschen von der Ewigkeit für uns spürbar sein. Wir sollen daran denken, dass Gott bei uns ist, bei uns  Lebenden genauso wie bei denen, die schon in Gottes Ewigkeit weiterleben.

Gerade jetzt im zu Ende gehenden Jahr, nicht nur am „Totensonntag“, fühlen wir manchmal ähnlich, wie Sandra und ihre Oma sich nach dem Tod des Großvaters gefühlt haben mögen:
Das gemeinsame Zuhause wirkt plötzlich leer und leblos.
Das Leben, unser schönstes Geschenk, kommt uns tot und schal vor.
Die Zukunft, die wir uns so schön vorgestellt hatten, wirkt auf einmal bedrohlich.
Und vor dem ersten Weihnachtsfest ohne den Partner oder die Partnerin, ohne die Verstorbenen haben viele Trauernde Angst.

Da ist dann tröstlich, wenn uns ein Gruß aus der Ewigkeit erreicht. Etwas, was die Trauer und Hoffnungslosigkeit durchbricht. Etwas, was uns in der Not wirklich erreicht, uns hilft und tröstet.
Ein Gruß aus der Ewigkeit. Ja, er kann uns helfen und trösten. Er kann uns helfen, nicht den Mut zu verlieren. Er kann uns helfen, unsere Beziehungen zu unseren Gestorbenen weiter zu leben, sie auch bei uns zu wissen. Nicht mehr körperlich greifbar – aber doch spürbar, empfindbar.

Ein Gruß aus der Ewigkeit.
In Omas und Sandras Garten mag es der Apfelbaum sein.

Und ich bin sicher, Sie alle ahnen, wo und wie Sie Ihre Grüße aus der Ewigkeit Ihrer Lieben empfangen! Wie Sie spüren, dass Ihre Lieben nicht verloren sind, dass es ihnen gut geht in einer anderen Wirklichkeit.

Und wir dürfen diese Gewissheit auch haben, wenn wir den Worten Jesu Vertrauen schenken können, die er uns durch das Lukasevangelium mitteilen lässt: Gott ist doch nicht ein Gott der Toten – für ihn sind alle lebendig. In ihm leben sie ja alle weiter (Lk 20, 38)!

Dieser Gott ist es, der uns alle in Verbindung hält, alle Menschen in einer eigenen Weise.
Niemand ist verloren – das gäbe keinen Sinn. Aber Gott ist sinn-voll!
Oder, wie es die Bibel noch viel besser ausdrückt: Gott ist Liebe. Und diese verbindet uns – uns alle untereinander, und uns mit all den Gestorbenen, um die wir trauern. Diese Liebe verbindet uns in dieser Wirklichkeit mit denen in der anderen Wirklichkeit, in Gottes Ewigkeit.

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