HimmelsAnker Nr. 87 vom 24.10.21

Gekommen, um das Schwert zu bringen!

34»Denkt ja nicht, dass ich gekommen bin, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
35 Ich bringe Streit zwischen einem Sohn und seinem Vater, einer Tochter und ihrer Mutter, einer Schwiegertochter und ihrer Schwiegermutter.
36 Die engsten Verwandten eines Menschen werden dann zu seinen Feinden.
37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist es nicht wert, zu mir zu gehören. Und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist es nicht wert, zu mir zu gehören.
38 Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir folgt, ist es nicht wert, zu mir zu gehören.
39 Wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren. Aber wer sein Leben verliert, weil er es für mich einsetzt, wird es erhalten.« (aus Matthäus 10)


Liebe Gemeinde,

ich habe lange mit mir gerungen, ob ich wirklich zu diesem Text predigen will. Nachfolge im Leiden. So ist die Überschrift dieser Verse. „Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Dieser Vers wirkt nach und mich erstaunt er, weil er aus Jesu Mund kommt. Jesus, der friedvolle und liebende Mensch predigt vom Schwert, was selbst vor Familien keinen Halt macht und Spaltungen hervorrufen wird.

Ich habe die Menschen vor Augen, die vor 2000 Jahren wirklich entzweit wurden wegen ihres Glaubens. Die Menschen, die sich für die Nachfolge entschieden haben und dann ganz buchstäblich leiden mussten auf Grund von Diskriminierung, Verfolgung oder Folterungen. Ich denke an die Menschen, die selbst ans Kreuz genagelt wurden.

Heute erscheint „Leiden für den Glauben“ irgendwie weit weg. Doch, wenn ich so richtig darüber nachdenke, stimmt das gar nicht. Menschen leiden auch heute noch, weil sie sich für den Glauben entschieden haben. Ich bin da in einer sehr privilegierten Situation, weil ich das noch nicht so erfahren habe. Aber ich kann mich noch daran erinnern, wie meine Oma davon erzählt hat, dass sie erstmal ihre Konfession wechseln musste, damit sie meinen Opa heiraten konnte. Vielleicht kennen sie ja auch solche Geschichten oder haben es am eigenen Leib erfahren?

Ich stelle mir das gar nicht einfach vor, meine religiöse Heimat verlassen zu müssen aufgrund solcher äußeren Einflüsse, die mich in meiner eigenen Entscheidungsfindung derart beeinflussen und auch einschränken. Dieser Text lädt auf alle Fälle dazu ein, sein eigenes Denken und Handeln darauf zu überprüfen, ob es anderen Menschen die Freiheit ihres Glaubens nimmt. Er lädt dazu ein, sich für diskriminierte Menschen einzusetzen und ihnen Raum und Unterstützung für ihren Glauben zu geben. In dieser Woche hat dieser Text bei mir aber noch andere Gedanken ausgelöst, von denen ich ihnen erzählen möchte:

Denn der Glaube fordert jeden und jede einzelne von uns ja immer wieder heraus. Ganz ohne, dass das in unseren familiären Kontexten eine Rolle spielt.

Wenn wir uns mit unserem Glauben auseinandersetzen, dann setzen wir uns immer wieder auch mit unserem innersten Selbst auseinander. An manchen Tagen klappt das gut. Dann, wenn ich mit mir selbst im Reinen bin. Dann, wenn ich geliebt werde und mich auch selbst lieben kann. An diesen Tagen scheint bildlich gesprochen die Sonne und es ist warm in mir drin.

Doch gibt es immer wieder Tage, an denen das nicht so ist. An solchen Tagen ziehen Herbststürme auf und bringen vieles durcheinander. Manches Geäst war vielleicht sowieso schon brüchig. Da stört es dann vielleicht gar nicht, wenn es herausbricht. Manche dickeren Äste, die herunterfallen, lösen jedoch eine richtige Kettenreaktion aus und wirbeln mein Innerstes so richtig durch. Das kann dann richtig weh tun. Jesu Worte klingen nach solchen Stürmen dann sehr schwer umsetzbar. Unseren Feinden in Nächstenliebe zu begegnen, trotz allen äußeren Widerständen und inneren Zweifeln an die Hoffnung zu glauben - das ist dann richtig anstrengend.

Jesus weiß um unsere inneren Zweifel und Zerwürfnisse. Er kennt solche Stürme aus seinem eigenen Leben. Er ist da ja selbst für uns durchgegangen durch alle seine Ängste und Zweifel bis zum Tod. Und genau das wird mir klar, wenn ich diesen Bibeltext lese.

Er macht mir sogar Mut. Keine Frage: Manche Tage werden dadurch nicht heller - manche inneren Zweifel werden sich wohl nie auflösen. Aber ich erhebe mein Schwert gegen sie - Tag für Tag auf Neue. Ich möchte an die Hoffnung glauben und weiß, dass Gott an meiner Seite ist, wenn ich mein Schwert erhebe.

Manchmal schaffe ich das vielleicht gar nicht alleine, mein Schwert zu erheben. Dann helfen mir andere dabei.

Ich weiß nicht, ob sie so etwas hier im gemeindlichen Kontext schon einmal erlebt haben. Mir ist das jetzt in dieser Woche passiert hier in der Gemeinde.

Ich habe mit Konfirmand*innen über die Bewahrung der Schöpfung gesprochen. Wir haben Insektenhotels gebaut. Im Anschluss daran haben wir diskutiert, ob es sich lohnt, darauf zu hoffen, dass die Welt weiter bewohnbar bleibt. Trotz der Zerstörungen durch uns Menschen. Ein Konfirmand hat mich mit seinem Glauben angesteckt. Er sagte: "Gott vertraut uns. Und wir können Gott vertrauen."

Mir ist diese Woche außerdem ein Lied von Max Herre begegnet, was ich ihnen als Mutmacher für den nächsten Herbststurm leicht abgewandelt mitgeben will:

Und immer wenn der Zweifel dich zerfrisst und immer wenn du ganz alleine bist, immer wenn du nicht mehr weißt wohin mit dir, hat Gott ne‘ offene Tür!

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.