HimmelsAnker Nr. 38 vom 29.11.20

Himmelsanker zum 1. Advent | Sacharja 9,9-10

Eseleien

Ich bin ein Esel. Das dachte ich letztens, als ich meine Brille aufgesetzt habe. Es war nämlich nicht meine Brille und außerdem hatte ich meine Brille schon längst auf. Mit zwei Brillen wird das Sehen übrigens nicht noch besser. Das weiß ich jetzt ganz genau. Eher schlechter. Außerdem sieht man mit zwei Brillen im Gesicht ziemlich dämlich aus. Und so fühlte ich mich auch. Aber nur kurz. Wir haben herzlich über meinen dummen Fehler gelacht, ich gab meiner Partnerin Hannah ihre Brille zurück und wir starteten mit guter Laune in den Tag. Da war ich also kurz ein dummer Esel mit zwei Brillen, der uns gute Laune gebracht hat.

Esel galten übrigens nicht immer als dumm. Sie trugen – so weit ich weiß – nie zwei Brillen. Und oft brachten sie weit mehr mit sich als nur gute Laune. Sie galten in biblischen Zeiten als Zeichen des Wohlstandes und als Reittier der Vornehmen. Erst durch Esel wurde damals der Handel über lange Strecken möglich. Und ganz wichtig: Anders als Pferde wurden Esel nie im Krieg eingesetzt. Esel waren friedliche Tiere mit wertvoller Last.

Genauso auch im heutigen Predigttext. Der steht beim Propheten Sacharja und geht so:

9 Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.

10 Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.

Der Esel bringt einen neuen König. Einen König, der ganz anders ist als alle anderen Könige. Ganz ohne Prunk und ganz ohne kriegerische Absichten. Dieser König bringt Frieden. Das ist doch mal ein Grund zur Freude! Und zwar nicht nur für Zion und Jerusalem. Der Esel bringt Hoffnung für die ganze Welt.

Auf so einen König freuen wir uns im Advent. Jedes Jahr erinnern wir uns daran, dass Jesus Hoffnung in die Welt bringt. Und diese frohe Botschaft kommt auf einem Esel daher. Dieses friedliche Tier trägt diese wichtige Botschaft in die Welt. Da kann es dem Esel eigentlich egal sein, dass viele ihn heute für dumm oder störrisch halten.

Denn unsere Welt braucht Hoffnung. Unsere Welt braucht diese frohe Botschaft. Da kann es gar nicht genug Esel geben, die immer und immer wieder diese Botschaft zu den Menschen tragen.

Denn ohne Esel, ohne friedliche Menschen voller Hoffnung, geht es nicht. Und jetzt alle Sprachliebhaber*innen aufgepasst, hier folgt eine Eselsbrücke: Man kann Gesellschaft nicht ohne Esel schreiben.

In diesen ungewöhnlichen Zeiten habe ich eine ungewöhnliche Bitte: Lasst uns Esel sein! Lasst uns Gottes Botschaft in die Welt tragen! Lasst uns friedlich und voller Hoffnung sein.

Amen.

Probepredigt von Pfarrer Till Weiß

Während des Kurz-Gottesdienstes zum 1. Advent am 29.11.20 in der Christuskirche hat Pfr. Till Weiß seine Probe-Predigt im laufenden Wahlverfahren für die 1. Pfarrstelle unserer Kirchengemeinde gehalten.

Der Text dieser Probepredigt ist hier als Himmelsanker wiedergegeben. Eine Audiodatei ist nicht beigefügt, stattdessen hier ein Link zu einem Videomitschnitt.

Hier finden Sie diese Andacht zum Ausdrucken.