... habe ich herausgefunden, warum ich jeden Morgen Flaschenpost im Kopf habe.
Jeden Morgen passiert das: Die E-Gitarre fängt an zu spielen und Sting singt: „Just a castaway, an island lost at sea, oh …“ Ich habe einen Ohrwurm von „Message in a bottle“ von The Police. Mitsingen kann ich nicht, jedenfalls nicht richtig. Ich kenne den Text nämlich nicht. Schon für die erste Zeile musste ich im Internet nachschauen, wie sie denn richtig geht. Und es lohnt sich, den Text mal zu lesen. Der Text erzählt die Geschichte eines Gestrandeten, der vor Einsamkeit fast vergeht. Er schreibt eine Flaschenpost, mit der er um Hilfe ruft. Ein Jahr später hat sich nichts verändert. Nur noch Hoffnung hält ihn am Leben. Dann geht er eines Morgens an die Küste und findet dort viele Milliarden andere Flaschen! Ihm wird klar, dass er mit dem Alleinsein nicht allein ist.
Ich finde, das Lied passt richtig gut in die Corona-Zeit. Im Lockdown fühle ich mich auch manchmal wie auf einer einsamen Insel. Ich will meine Familie besuchen, Freunde treffen und rausgehen können. Mal endlich mehr draußen machen als nur Spazieren und Einkaufen. Nur die Hoffnung darauf, dass das irgendwann bald mal endlich wieder geht, hält mich bei Verstand.
Dann gibt es da noch diese Textzeile in Message in a bottle: „Love can mend your life, but love can break your heart“ (Liebe kann dein Leben heilen, aber Liebe kann auch dein Herz brechen). Und das ist ja genau das Fiese an der Corona-Krise: Was ich brauche und mir sehnlichst wünsche, ist der Kontakt zu anderen Menschen. Liebe eben. Sie würde mir jetzt so guttun. Gebe ich dem Wunsch aber nach und pfeife auf die Maßnahmen gegen Corona, setze ich mich und die Menschen, die ich liebe, einer gefährlichen Krankheit aus. Ich könnte es nur schwer ertragen, wenn sich jemand meinetwegen ansteckt. Mein Herz würde bestimmt darüber brechen.
Was bleibt, sind die Hoffnung auf ein Ende der Krise und – das ist nicht zu unterschätzen – das Gefühl, dass ich mit dem Alleinsein nicht allein bin. Zur Zeit sind alle voneinander getrennt wie auf einsamen Inseln. Alle sehnen sich nach einem Ende der ganzen Krise. Sie alle schicken ein S.O.S. („Save Our Souls“ = „Rettet unsere Seelen“) in die Welt. Viele Milliarden Flaschen. Wir sind nicht allein und irgendwann ist das Ganze auch mal vorbei.
Jeden Morgen habe ich diesen Ohrwurm. Jeden Morgen höre ich The Police in meinem Kopf. Jeden Morgen erinnert mich das Lied daran, dass ich nicht allein bin. Jeden Morgen „Message in a bottle“. Und neulich habe ich entdeckt, warum dieser Ohrwurm mit dieser Beständigkeit Gast in meinem Kopf ist. Jeden Morgen stelle ich den Duschkopf auf meine Lieblingseinstellung: Massage. Das reicht meinem Hirn als Schlüsselreiz, um mir jeden Morgen „Message in a bottle“ vorzuspielen. Ich freue mich schon auf den nächsten Morgen.
Bis neulich!
Ihr Pfarrer Till J. Weiß